Autor: Henri du Vinage
Buchprojekt "Typisch Deutsch"
Rückmeldung
2022
Vor langer Zeit betrieben wir zwei Spezialitätenkneipen in Brasilien. Unsere Leckerbissen mussten typisch deutsch sein, so wie auch alles Andere. So stellten wir uns die Frage: „Wie sehen die Brasilianer den typischen Deutschen?“ Die Antwort lautete: Der deutsche Mann trägt Lederhose, trinkt den ganzen Tag Bier, singt Sauflieder und verspeist Haxe oder Wurst. Von der deutschen Frau weiß man wenig, aber sie trägt Dirndl, ihre langen blonden Haare verzaubern die Männer und sie heißt Loreley.
Autor: Henri du Vinage
Buchprojekt "Typisch Deutsch"
2022
Das Auto
Mindestens einmal in der Woche stehen deutsche Männer an der Autowaschstraße und lassen ihre Lieblinge von oben bis unten bürsten, massieren, eincremen und selbst der Unterboden glänzt im modischen Antifaltenschutz. Angekommen auf der heimischen Garagenauffahrt wienert der Teutone nach. Scheinwerfer, Scheiben und der Innenraum erstrahlen im Sonnenlicht.
Autor: Henri du Vinage
Buchprojekt "Typisch Deutsch"
Testleser Rückmeldung
2022
Stoßlüften oder Querlüften
Die Deutschen haben eine Höllenangst vor Luft. Ein zarter Lufthauch aus dem geöffneten Fenster im Sprechzimmer des Arztes, das Klappfenster in der Bahn, welches einen Spalt breit aufgeriegelt ist, die laufende Klimaanlage im Auto bei 30 Grad Außentemperatur oder gar zwei gekippte Fensterflügel im Wohnzimmer, führen zu Panikattacken. „Fenster zu“, wird dann gerufen. „Es zieht“, und alle flüchten in eine Luftzug geschützte Ecke. Es drohen Erkältungen, Halsschmerzen, steife Schultern oder Husten und Schnupfen. Vielleicht sogar der Tod. Selbst bei 35 Grad im Schatten verstehen die Einheimischen keinen Spaß.
Juni 2021
Autor: Henri du Vinage
Ich passe den richtigen Moment ab. Während er auf der Toilette ist, springe ich aus dem Fenster im Erdgeschoß und renne und renne, so schnell mich meine Beine tragen.
Die eng stehenden Bäume des Forstes türmen sich über mir auf, als wären sie ein unüberwindbares Hindernis, die Baumkronen bremsen das Sonnenlicht, welches zugleich Freiheit und Frieden bedeutet.
Es war Sommer und die Sonne schien wie verrückt. Am See tummelten sich viele Kinder. Groß und klein planschte. Die Schwimmer schwammen schon im tiefen Wasser und bei den Nichtschwimmern strahlten die knallroten Luftpolster von ihren Oberarmen. Die kleine Emma konnte noch nicht schwimmen.
Eine Kindergeschichte
März 2021
Autor: Henri du Vinage
März 2021
Autor: Henri du Vinage
Die Finger, die Knöpfchen, streicheln,
Die Augen blinzeln in das glitzernde Lichtermeer,
Das Gehirn verzückt gar so sehr,
Die Worte der Liebe nur so schmeicheln.
Dezember 2020
Autor: Henri du Vinage
Am Silvesterabend sitzen die Bundeskanzlerin, der Wirtschafts- und der Außenminister sowie die für Verteidigung zuständige Ministerin bei einem Glas Wein in einer versteckten Ecke ihrer Stammkneipe des Regierungsviertels. Die außerordentliche Sitzung an diesem außerordentlichen letzten Tag des Jahres dauert bis in die Abendstunden und für eine Heimfahrt zur Familie ist es zu spät.
Oktober 2020
Es war einmal eine Fabrik, in der herrschte ein böser Drehkreisel. Seine Mitarbeiter mussten sich an ihm festhalten und gehorchen. Die Notebooks verfügten über einen besonderen Platz. Sie saßen bequem auf dem Kreisel und gaben die Befehle weiter an die Kugelschreiber, die sich mit ihren Haken sicher in die blechernen Schlitze einklinkten.
Juli 2020
Der Chef pöbelt: „Der Bericht für den Vorstand ist noch nicht fertig. Den müssen sie heute abgeben.“ Es ist Freitagnachmittag, eine Affenhitze und ich freue mich den ganzen Tag lang auf einen Abend im Biergarten mit meiner Frau und eine dem Wetter entsprechende Nacht im Schlafzimmer.
Zum Frühstück trinken wir jetzt immer Kombucha. Ein volles Glas mit sprudelnder, dunkler, mattdurchsichtiger Flüssigkeit. Salbei, grünen Tee und Kräuter schmecke ich heraus. Auf der Zunge spüre ich Kohlensäure, Limonade oder wenn der Kombucha zu hungrig war, riecht und schmeckt der Drink nach fruchtigem Apfelessig.
Februar 2020
Wir ergatterten einen Platz an der Hotelbar. Neben uns saß ein Ehepaar, welches schon bei der Fahrt im zypriotischen Allinklusive-Bus auffiel. Sie buchten als Einzige der 36 teilnehmerstarken Gruppe das abendliche Dinner im Hotel nicht. Ich gebe zu, dass ich im ersten Moment den Mut bewunderte, sich dem Gruppenzwang zu entziehen. Wir kamen uns feige vor, hatten Angst in einem Hotel im Nowhereland keine Alternative außerhalb des Gefängniszauns zu finden. „Die Reiseveranstalter solcher Gruppenreisen halten die Herde immer zusammen und die unbändigen Ausreißer werden schnell eingefangen und zurück in den Stall gebracht“, erklärte uns ein Mitreisender, der offenbar Gefallen am Stallgeruch gefunden hatte. „Das ist meine dritte Reise mit denen“, gab er stolz und unverblümt zu.