Madeira hat immer Saison

Trentino

Autor: Henri du Vinage

Madeira 

Februar 2024

 

Der TAP-Flieger nahm Landeanflug auf die in den Atlantik hineingebaute Piste. Früher erhielten Piloten, die diese Route flogen, ein spezielles Training, um den besonderen Anforderungen gewachsen zu sein. Heutzutage eine Routinelandung, aber vor dem Jahr 2000 eine Herausforderung, auf einer der kürzesten Pisten der Welt zu starten, zu landen und den Fallwinden ausgesetzt zu sein. Die ehemals nur 1600 Meter lange Landebahn wurde auf 2777 Meter erweitert, begradigt und die Ausrichtung den Windverhältnissen angepasst.

Trotz vierstündiger Verspätung und vorgerückter Uhrzeit von 22:00 Uhr wartete der vorbestellte Taxifahrer auf uns. Eduardo erklärte freundlich und in bester Laune, wo wir noch etwas zu Essen ergattern könnten. Schwindlig vor Hunger erstürmten wir das erste Restaurant, welches sich auf unserem nächtlichen, fast menschenfreien Weg befand. Drei Personen saßen an einem der zahlreichen Tische, nuckelten mit starrem Blick an ihrer Cola und das Baby an der Brust der Mama. „Boa noite“, strahlte der Kellner und fragte nach unseren Wünschen. Die um diese Uhrzeit stark reduzierte Karte bot zwei Gerichte. Kürbissuppe für meine Frau und picada de carne, eine Art Rindergeschnetzeltes, für mich. Dazu Wein und Wasser. Das Fleisch zerging butterzart auf meiner Zunge, die Kürbissuppe, pikant und mit Korianderblättchen verfeinert erfüllte meine Frau mit einem zarten Lächeln und der Wein ergoss sich würzig blumig in unserem Gaumen. Der Ober unterhielt sich mit uns wohlwollend, trotz der fortgeschrittenen Stunden, und gab uns Tipps für die nächsten Tage. Glücklich schlenderten wir durch die Straßen und Gassen, erreichten unsere Airbnb-Wohnung und fielen todmüde ins Bett.

Wir lieben es, immer zentral zu wohnen, um dem Lebensrhythmus der Einheimischen möglichst nahe zu sein. Unser Apartment befand sich in unmittelbarer Nähe der Kathedrale, des Yachthafens, der Avenida de Mar und der Altstadt. Alles per pedes erreichbar. Es stellte sich später heraus, dass die Gegend um unsere Wohnung herum zu dem Tourismuszentrum von Funchal gehörte. Zahlreiche Restaurants säumten die Gassen und luden uns zum Verweilen und Genießen ein. Auf den Speisekarten priesen die Gastronomen, den in den Gewässern um Madeira heimischen peixe espada preto, schwarzer Degenfisch, mit Maracujasoße oder mit Banane, an. Eine Fischart, welche sage und schreibe in der Dunkelheit von 1.000 Meter Tiefe mit Langleinen gefangen wird. Die Tiere können eine Größe bis zu 150 cm erreichen und ihre scharfen Zähne lassen vermuten, dass sie keinen Spaß verstehen. Wenn sie aus der Tiefe gezogen werden, färbt sich ihr Körper durch den Druckverlust schwarz. Das helle, butterzarte Fleisch erhält weitere Geschmacksnoten durch Soßen und Beilagen. Folgendes erzählte uns niemand: Die schwarzen Degenfische können mit Schwermetallen und Methylquecksilber belastet sein und es wird empfohlen, den Verzehr einzuschränken. Kosten sie ihn trotzdem einmal. Mein Favorit ist der Fisch mit Maracujasoße. Nach anstrengenden Wanderungen an den Levadas können sich die Trekker ebenso mit anderen Fischarten und superzartem Fleisch von den Weiderindern der Azoren belohnen. 

Funchal, Seilbahn, Restaurants
Funchal - Rua Santa Maria
Funchal - Degenfisch - geangelt in 1.000 Meter Tiefe
Schwarzer Degenfisch
Funchal, Rei da Poncha, Flirten und Quatschen
Rei da Poncha

Funchal, Kunst an den Türen der Rua Santa Maria
Rua Santa Maria

Auch tagsüber zahlt sich ein Spaziergang durch die Altstadt, vorbei an den geschlossenen Restaurants und Bars aus. In den engen Gassen um die Rua de Santa Maria bewunderten wir ein Kunstprojekt besonderer Art. Der vormittags leblosen Gegend hauchen die bemalten Türen ein lustiges und humorvolles Leben ein. Manchmal sind die Malereien auch kritisch, politisch oder einfach zum Nachdenken anregend. Absolut sehenswert! Oberhalb der Straße gleitet die Seilbahn, Teleférico, in den Stadtteil Monte.

Bevor wir die Seilbahn nahmen, besuchten wir den Mercado dos Lavradores, Bauernmarkt, der schon durch den Baustil und im Inneren durch die typisch portugiesischen Fliesenbilder beeindruckte. Die Farbpalette von Gemüse und Früchten verzauberte uns. Das satte Grün einer reifen Limette wetteiferte mit dem Hellgrün der Cherimoya, eines Zuckerapfels. Das saftige Gelb der Ananasfrucht zog meinen Gaumen zusammen und der gesteigerte Speichelfluss trieb mich sofort zu meiner portugiesischen Lieblingssüßigkeit, Pastel de Nata, Blätterteigtörtchen mit einer Cremefüllung. Da kann keine Ananas mithalten. Wenig später ging es weniger farbbetörend zu. Lauter Fischleichen. Die armen Tiere. Der Degenfisch wirkte mit seinen scharfen Zähnen überhaupt nicht sympathisch. Vieles, was das Meer NOCH hergibt, wurde zum Kauf feilgeboten. Wir durften hier fotografieren. In der Obsthalle sahen die Händler das nicht gerne. Wir wurden gewarnt, dass die Preise dort überhöht seien, und kauften nichts. 

Auf in den Stadtteil Monte. Die Seilbahn schwebt alle paar Minuten vom Atlantik in den 8 Kilometer entfernt gelegenen Stadtteil. Einst war diese Region das Refugium des Adels, der Reichen und Exil der österreichischen Kaiserfamilie Karls I. 1922 verstarb er auf der Insel. Der Zufluchtsort des Monarchen, die Quinta do Monte (Quinta Jardins do Imperador), ein ehemaliges Weingut aus dem 19. Jh. lädt zum Teetrinken und Flanieren ein. Ein Stückchen weiter talwärts erwarten die Korbschlittenfahrer die Inselgäste. Dieses Event fehlt in keiner Reportage über Madeira. Die Fahrer entpuppten sich als gesprächskarge, murige und fotoscheue Gesellen. Wir verzichteten auf die Fahrt und spazierten gemütlich durch den Stadtteil. Wir treffen auf den Jardim Tropical Monte Palace und erfreuten uns an der Pflanzenwelt und an der asiatischen Gestaltung der Gartenanlage. Ein toller Blick über die Stadt belohnte uns für den steilen Weg.

Mit dem Bus fuhren wir für wenige Euro zu dem zirka 10 Kilometer von Funchal entfernten Fischerörtchen Câmara de Lobos, benannt nach den dort sich tummelnden Mönchsrobben. Wir sahen zwar keine, aber glaubten den Erzählungen der Fischer, dass wir mit Zeit und Geduld diese Tiere beobachten könnten. Wir hatten zwar Geduld, aber keine Zeit. Câmara de Lobos entstand um 1420 als erste Siedlung der Insel. Winston Churchill widmete sich hier seinem Hobby, der Malerei. Bestimmt mit Zigarre zwischen den Lippen und Whisky auf dem Tisch. 

Funchal, Kunst an Türen
Rua Santa Maria

Madeira, bunte Fischerhäuser
Santana

Für die nächsten Tage planten wir Touren mit einem Mietwagen und eine geführte Wanderung durch die Levada das 25 Fontes (Bewässerungskanäle der 25 Quellen) und einige Entdeckungstouren in Funchal.

Die Mietwagentour führte uns an die Nordküste. Schon während der Fahrt blies der Wind kräftig gegen den Kleinwagen und unsere Stimmung an diesem grauen, regnerischen Tag erhellte sich nur durch flotte Musik aus dem Radio und die Neugierde auf das zu Erwartende. Santana glänzte durch die bunt angestrichenen Holzhäuser und Strohdächer. Der Touristenschwarm lief hin und her. Das Handy immer im Fotoanschlag. Wir passten uns an. Unser nächstes Ziel waren die Lavabecken von Porto Moniz. Die Badesachen ließen wir im Auto. Dunkle Wolken zogen auf. Sturm, Regen und aufgepeitschte Atlantikgischt zeigte uns, wie das Inselwetter auch sein kann. Nämlich sehr, sehr ungemütlich. In den Restaurants suchten wir vergeblich nach einem Plätzchen, um aus dem Warmen heraus die Urkräfte zu bestaunen. Zurück zum Auto. Zurück zu besserem Wetter. Zurück zur Südseite: Cabo Girão - 580 Meter hoch. Auf der Glasplattform fühlte ich mich der rauen Wasserwelt näher und Zweifel befiellen mich: „Hält der Glasboden auch wirklich?“ Nächster Ort: Calheta, berühmt für die Zuckerrohrdestillen. Wir durften einen Blick hineinwerfen. Der Schnaps nennt sich hier Rum, wohl wegen der besseren Vermarktung. In Brasilien heißt er Cachaça und der berühmte karibische Rum, der soweit ich weiß, aus der Melasse destilliert wird, nennt sich ebenfalls Rum. Etwas verwirrend. Vielleicht kann uns ein Leser aufklären? 

Am östlichen Ende der Insel trafen wir auf eine für Madeira atypische Landschaft. Kahle Felsen, Felsspalten und bei gutem Wetter Blick auf die Insel Porto Santo. Es wurde dunkel und wir mussten Mietwagen wieder zurückbringen. So entschlossen wir uns, am nächsten Tag diese spannende Region, Ponta de São Lourenço, zu erwandern. Mit grandiosen Blicken über Felsen, Atlantik und die Strandinsel Porto Santo erschien in Umrissen, wie eine Fata Morgana wurden wir belohnt. Für diese Wanderung ist Sonnenschutz, viel Wasser und Fitness von Vorteil. Nach 2-3 Stunden laufend, stehen bleibend, herumkletternd, die Landschaft bewundernd, Wasser trinkend, einen mitgebrachten Müsliriegel und Bananen essend, erreichen wir die Casa do Sardinha. Kurz vor dem Verdursten bestellten wir: „Duas cervejas, por favor.“ Es ging wieder zurück, neugierig, langsam und wieder häufig stehen bleibend, saugten wir die Eindrücke auf, wissend, dass wir nicht so schnell wieder hierher zurückkommen würden.

Levada dos 25 fontes


Ponta de São Lourenço


Funchal. Alles über Zucker
Zuckermuseum - A Cidade do Açucar

Im Hafen von Funchal versperrten uns zwei Kreuzfahrtschiffe, dessen Reisende zum Blumenfest eingebucht waren, den Blick aufs Meer. Einige Tage später war der Spuk vorbei und die Insel um 9.000 Besucher ärmer. Direkt am Liegeplatz krönt das Hotel Pestana CR 7 den madeiranischen Fußballhelden Ronaldo mit einer Statue und beherbergt auch gleichzeitig das CR-Museum. Nur etwas für eingefleischte Fans des Spielers mit der Nummer 7.  Der Selfmademan und Gründer des Hotel- und Immobilienimperiums Manuel Pestana wurde auf der Insel geboren. Das verbindet natürlich mit dem Fußballstar, der mit dieser Marke Cristiano Ronaldo Nr. 7, seine ersten Investments in der Hotelbranche tätigt. Inzwischen gibt es fünf Hotels: New York, Lissabon, Madeira, Marrakesch und Madrid. 

Im Stadtzentrum, der Praça do Colombo, 5 entdeckten wir ein kleines Museum, das Zuckermuseum. Im 15. Jh. war das weiße Gold, welches der wohlhabenden Elite Madeiras noch mehr Reichtum bescherte, der Exportschlager. Prunkvolle Paläste und Kirchen entstanden zu jener Zeit. Im Museum begutachteten wir die Arbeitsgänge vom Schnitt des Rohres bis zum Endprodukt. Dabei stießen wir auf Tonbehälter, in denen der heiße Rohrzucker zu einem Zuckerhut erstarrte. Uns fiel sofort die Feuerzangenbowle ein. Da wird Rum auf einen Zuckerhut gegossen und tropft in einen Topf mit gewürztem, heißen Rotwein. Zu weiteren Fragen der Zuckerproduktion trafen wir die Direktorin und erzählten ihr von den deutschen Gebräuchen. Vier Wochen später, es war nicht einfach, im Sommer an Zuckerhüte heranzukommen, sendeten wir 4 Stück ins Museum. Wenn ihr die Chefin dort sehen solltet, bestellt einen schönen Gruß.

Die Blumenfestkinder tanzten die Uferpromenade entlang. Alt, Jung, Touristen und Einheimische jubelten den mit Blumen geschmückten Wagen zu. Es erinnerte an den Straßenkarneval in Rio. In den Formationen sangen und tanzten überwiegend Laien, die sich aus den vielen Clubs Madeiras zusammensetzten. In der Innenstadt, direkt an unserem Appartement, sorgten die Blumenarrangements auf den Bürgersteigen der Rua do Aljube, vorbei an der Catedral da Sé, für Hingucker. Auf der Bühne musizierten Künstler von Klassik, Bossa Nova, Blues, Rock und Schlager für jeden Geschmack etwas. An den links und rechts des Bürgersteigs aufgebauten Ständen kamen wir nie vorbei. Wir waren förmlich gezwungen von allem zu probieren. Madeirawein von 3 bis 25 Jahren Fasslagerung, schenkten uns die freundlichen Damen im Becher für 1,50 € bis 5,00 € aus. Uns schmeckte der Madeira von Henriques & Henriques wundervoll. An anderen Ständen wurden sogenannte Ponchas (Punsch, Batida) eine leckere, aber alkoholreiche Variante mit Zuckerrohrschnaps und Säften angeboten. Diese Mischungen war uns zu süß, aber das ist ja Geschmackssache. Der größte Hersteller von Madeirawein, Blandys, eine alteingesessene Familiendynastie, befand sich direkt gegenüber der vielen Stände. Am nächsten Tag ließ ich mich durch den Showroom führen, einer Nachbildung der Kellereiatmosphäre und lauschte den Erklärungen zur Herstellung.

Restaurantbesitzer, Kellner und Kellnerinnen überraschten uns häufig mit einem eigenartigen Akzent des Portugiesischen, einem spanischen Tonfall. So fragten wir höflich nach. Stolz erklärten uns die Menschen, dass sie aus Venezuela kommen. Ihre Großeltern wanderten vor Jahrzehnten aus, weil die Lebensbedingungen auf der Insel miserabel waren. Heute scheint es umgekehrt zu sein. Sie kehren zurück. Die Regierung erleichtert finanziell und mit Jobangeboten den Rückkehrern wieder Fuß zu fassen. Uns erfreuten sie immer mit Heiterkeit und guten Speisen. 

Zu jeder Jahreszeit lohnt sich eine Reise auf die Blumeninsel und beglückt uns mit ihrer Natur und die Menschen entpuppen sich als freundliche Gastgeber.

TIPP 1:

Wanderung im Parque Natural, z.B. geführte Wandertour „Levada das 25 Fontes“ (Bewässerungskanäle der 25 Quellen). Der Guide erklärt die Pflanzenwelt – Löwenzahn so groß wie ein Baum.

TIPP 2:

Fábrica Santo Antonio. 100-jährige Keksfabrik mit antikem Verkaufsladen. Travessa do Forno 27-29, 9000-077 Funchal. (Zentrum)

TIPP 3:

Treffpunkt für Poncha-Freunde. Im Stehen lässt es sich gut quatschen und flirten. Rei da Poncha, Rua da Alfândega, 147, Funchal. (Zentrum)

TIPP 4:

Museu A Cidade Do Açucar (Zuckermuseum), Praça Colombo, 5, 9000-051 Funchal. (Zentrum)

TIPP 5:

Wetterlink: https://www.madeira-web.com/de/wetter.html

 

TIPP 6: Rezept Pastel de Nata

Foto: Katharina Kammermann, Pixabay
Foto: Katharina Kammermann, Pixabay

Rezept Pastel de Nata

250 ml Milch

30 g Mehl

1 Vanilleschote

Schale von 1/3 Zitrone

1/2 Tl Zimt oder 1 Zimtstange

200 g Zucker

100 ml Wasser

4 Eigelb

1 Blätterteig

1. Heize den Ofen vor, so heiß er kann (Ober- und Unterhitze, keine Grillfunktion).

2. Stelle die Füllung als Erstes her, damit diese abkühlen kann. Dazu das Mehl mit etwas kalter Milch klümpchenfrei anrühren. Den Rest der Milch zum Kochen bringen und gelegentlich rühren, so dass diese nicht anbrennt. Füge Vanille, Zimt und Zitronenschale zu.

Wenn die Milch kocht, das angerührte Mehl einrühren.

Für den Zuckersirup Wasser und Zucker in einen Topf geben und den Sirup solange kochen, bis sich der Zucker gelöst hat (bitte nicht länger).

Den Zuckersirup zur Milchmischung geben und verrühren.

Die Eigelbe temperieren. Dazu unter stetigem Rühren in einem dünnen Strahl etwas von der heißen Milchmischung zu den Eigelben geben.

Die temperierten Eigelbe nun vollständig zur Milchmischung geben, verrühren und unter Rühren leicht eindicken lassen (zur Rose abziehen). Anschließend alles durch ein Sieb streichen.

3. Den Blätterteig (Supermarkt) von der längeren Seite her aufrollen und leicht andrücken, so dass sich die Teigstränge innen verbinden.

4. Den Teigstrang in 12 Stücke schneiden und jeden einzelnen mit der Teigspirale nach oben in die Muffinförmchen legen. Den Teig mit den Fingern in die Förmchen drücken. Falls der Teig an den Finger klebt, diese in kaltes Wasser tauchen.

5. Die Förmchen 3/4 mit der Füllung befüllen. Wichtig! Lieber etwas weniger füllen.

6. Die Pasteis de Nata bei sehr hoher Hitze (so heiß der Ofen kann) ca. 10 Minuten backen. (Sie sollten leichte dunkle Stellen bekommen)

Guten Appetit

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