Wie feiern die Deutschen? - "TYPISCH DEUTSCH"

Bild: Werner Weber
Bild: Werner Weber

Autor: Henri du Vinage

Buchprojekt "Typisch Deutsch"

Rückmeldung

2022

 

Vor langer Zeit betrieben wir zwei Spezialitätenkneipen in Brasilien. Unsere Leckerbissen mussten typisch deutsch sein, so wie auch alles Andere. So stellten wir uns die Frage: „Wie sehen die Brasilianer den typischen Deutschen?“ Die Antwort lautete: Der deutsche Mann trägt Lederhose, trinkt den ganzen Tag Bier, singt Sauflieder und verspeist Haxe oder Wurst. Von der deutschen Frau weiß man wenig, aber sie trägt Dirndl, ihre langen blonden Haare verzaubern die Männer und sie heißt Loreley. 

Haben Sie schon einmal einen Berliner mit Lederhose gesehen und eine Brasilianerin mit portugiesisch-afrikanisch-indianischen Wurzeln mit blonden Haaren? Wohl kaum. Es sei denn, dass du uns in Brasilien besucht hättest. Da standen wir nun stolz hinter dem Tresen in Lederhosen, Dirndl und Kniestrümpfen. Meine Frau weigerte sich, ihre schwarze Lockenpracht zu färben. Der Wille, originell zu sein, zählte. Für mich war es einfach. Damals waren die Haare noch blond, die Augen blau und so eine Art Kaiser-Wilhelm-Bart en miniature spross auf der Oberlippe. Die Gerichte waren typisch deutsch. Bratwurst, Eisbein und Sauerkraut servierten wir kontaktfördernd auf einem kollektiven Teller. Die Bratwurst in mundgerechte Stücke portioniert, das Eisbein am Tisch in essfertigen Portionen entbeint und jeder Kunde wurde mit einer Gabel bewaffnet. Dazu floss das Bier in Strömen. 

Zu fortgeschrittener Stunde fragten uns die Gäste aus. „Wie ist das mit der Mauer?“ „Ist Berlin eine Insel?“ „Wann kommt die Wiedervereinigung?“ Die letzte Frage beantwortete ich immer: „Das werden wir wohl nicht erleben.“ Ein Jahr später waren die Grenzen offen und Mauersteine zierten die Wände unserer Pinte, weckten Neugier und motivierten zu Diskussionen. Das Gelächter schallte durch die Gasse, wenn wir Schimpfwörter austauschten. Die romanischen Sprachen geben da mehr her, als die deutsche Ausdrucksweise. Wir vollbrachten wahre Sprachwunder. Linguisten hätten vor Freude Schuhplattler getanzt.

Einige Beispiele zum Üben. Sprechen Sie laut, energisch und extrem wütend nach: „Du Bommerlunder!“ Die drohende Gestik fehlt. Noch ein Versuch: „Du Bommerlunder!“ Das nächste Schimpfwort: „Du Wacholder!“ Ein neuer Sprachgebrauch war geschaffen. Aus dem oft Benutzten: „Filha da puta (Hurensohn)“ wurde: „Du Bommerlunder!“. Das klang Angst einflößend.

Alle lieben die deutschen Feste. Viele regionale Feiern locken die Menschen aus nah und fern an. In den Weinregionen laden die Winzer zu ihren Geselligkeiten ein, um den neuen oder alten Wein zu verkosten. Das Kirchweihfest findet im Oktober in den süddeutschen und katholisch geprägten Gebieten statt. Bei diesem ursprünglich religiösen Fest, am Tag der Konsekration der Kirche, zelebrieren die Menschen die alten Bräuche und Rituale. Der verzierte Kirmesbaum wird aufgerichtet und dann feiern Gläubige und Ungläubige tagelang. Verwirrend sind die unterschiedlichsten Bezeichnungen für dieses Event: Kerb, Kerm, Kerwe, Kier und so weiter und so fort. Das allergrößte Fest ist das Münchener Oktoberfest.

 

 

 

Im Plauderton berichtet der Autor über Fakten, Vorurteile und Klischees der Deutschen. Inspiriert von wahren Begebenheiten erzählt er magisch realistische, fantastisch autobiografische und vom Leben geschriebene Geschichten. Augenzwinkern, Boshaftigkeiten, liebevolle und lustige Beobachtungen bereichern und begleiten die Leserinnen und Leser in den Erzählungen.

 

Ebook, Taschenbuch, gebundenes Buch

ab 4,95 €

Kommentare: 2
  • #2

    Horst (Donnerstag, 25 August 2022 12:07)

    Ja, lieber Henri, es scheint, dass du einmal und nie wieder auf der Wiesn warst. Sonst wüsstest du, dass es DIE Mass heisst und Haxn anstatt Eisbein. Letzteres gibts gekocht in Berlin, in München wird es halt gegrillt und schmeckt x mal besser. Zwischen 1988 und 2022 liegen ein paar Jährchen, aber die Wiesnwirte, ihr Personal und die bierseligen Besucher werden alles dransetzen, alte, "bessere" Zeiten zu beschwören, ausser den Bands in den Zelten, die altes mit Angesagtem zu kombinieren wissen. Die Puffmama Leila müssen alle draufhaben. Nach sechzehn Tagen der Feierei werden die Inzidenzen nach oben springen, aber nicht so hoch wie befürchtet, denn Testen kostet ja zwischen drei und zehn Euro und leichte Symptome werden als Nachwehen der Gaudi abgetan. Na dann: Oans, zwoa, Suffa! Viel Erfolg deinem neuen Buch, möge es BESTSELLERN!
    Horst

  • #1

    Rainer (Samstag, 20 August 2022 10:52)

    Moin zusammen !
    Leider ist es mir bis heute nicht vergönnt gewesen, das Oktoberfest in München einmal besuchen zu können. Keiner meiner damaligen Geschäftspartner kam jemals auf die Idee, mich dazu einzuladen. Heute wäre das wohl eh verpönt, denn es könnte den Anschein unerlaubter Vorteilsnahme erwecken. Einen Eindruck bekam ich nur durch einen Besuch des Kulmbacher Bierfests. Nicht so riesig wie in München, wohl auch nicht so bekannt, aber ein großes Bierzelt gab es, Blasmusik, gekühlte Getränke aller Art, auch Bier aus riesigen Krügen, die in München auf bayerisch Moaß genannt werden. Ich stieg nach dem Genuß von 2 Moaß auf alkohofreies Bier um. Keiner konnte das von außen erkennen und um Durst ging es eh schon lange nicht mehr. Mitmachen war die Devise. Die klaren Schnäpse, die im Takt einer halben Stunde fast regelmäßig serviert wurden, waren allerdings nicht alkoholfrei. Ich war froh, auf alkoholfreies Bier umgestiegen zu sein. Außerdem haben wir in unserer Gruppe großen Wert auf die erwähnte "Grundlage" gelegt und vor dem Getränkefluss gut gegessen. Dabei gilt : je fettiger, desto besser ( wurde uns erzählt ).
    Das brasilianische Oktoberfest in Blumenau kennen wir, meine Frau und ich, auch nur von Erzählungen. Wir waren zwar vor Ort und konnten uns davon überzeugen, das dort im Süden von Brasilien sehr viel deutsche Tradition vorhanden ist, es war aber die falsche Jahreszeit. Das Oktoberfest findet nunmal im Oktober statt und nicht im Februar. Egal, wir konnten uns sehr gut vorstellen, wie das dort abläuft und wenn man sich die Häuser und Menschen dort anschaute, konnte man glauben, man sei in Süddeutschland und nicht unbedingt im Süden von Brasilien. Durch die vielen deutschen Einwanderer und wohl auch durch die Pflege des alten Brauchtums sind noch viele deutsche Eindrücke dort zu finden. Allerdings vermischt sich das langsam mit brasilianischem Einschlag, was man insbesondere an der Sprache hören kann. Wir besuchten das Museum einer sehr bekannten, alten Weberei namens HERING. Wir wussten zwar, das diese Weberei deutschen Ursprungs ist und von Deutschen gegründet wurde, das unsere persönliche Begleiterin aber auch noch Heidi hieß, beglückte uns irgendwie. Als wir tiefer mit ihr ins Gespräch kamen, stellte sich zudem auch noch heraus, das sie einige Jahre in Hamburg gelebt hatte, wo sie deutsch gelernt hatte. Auch sie war begeistert, als sie erfuhr, das wir zwar nicht gebürtig, aber wohnhaft auch aus HH, - bzw. Umgebung kamen.
    Allen künftigen Brasilien Besuchern möchte ich einen Abstecher nach Blumenau und Florianopolis empfehlen. Es lohnt sich und das dort gebraute "Eisenbahn Bier" ( das heisst wirklich so ) schmeckt nicht schlechter, als bayerisches Bier ( sorry liebe Bayern ).
    In diesem Sinne : até logo ( bis bald )
    Rainer