Corona macht Pause - Wanderungen durch den Pfälzerwald - Demokratie, rostige Ritter und Dampfnudeln

Wiege der Demokratie
Hambacher Schloss

Teilweise fühlten wir uns genötigt in das klimatisierte Auto zu steigen, fuhren einige Kilometer,  vermieden so Hitzeschocks und schwerwiegende körperliche Schäden. Wanderkarte, GPS oder Reiseliteratur benötigten wir nicht, da unsere ortskundigen Freunde aus Kaiserslautern sich bestens auskannten. Auf Zypern lernten wir sie kennen (Reisebrief: „Das zweifelhafte Vergnügen einer Gruppenreise“) und ich müsste den Titel der Zypernstory korrigieren in „Das Vergnügen einer Gruppenreise“, denn mit ihnen war es kurzweilig, bildend und kulinarisch erkenntnisreich.

Oberhalb von Neustadt an der Weinstraße erhebt sich das Hambacher Schloss. Peter, Teilnehmer der Zypernreise, fachkundiger Guide und VHS-Wanderführer, frischte, die auf der Festplatte meines Gehirns gelöschten Geschichtskenntnisse, wieder auf. Seit 2015 gilt das Schloss als europäisches Kulturerbe und Symbol der deutschen Demokratie- und Freiheitsbewegungen. 

Nach dem Wiener Kongress von 1815 fiel die bis dahin zur französischen Republik gehörende Pfalz an das rückschrittliche Bayern. Das Königreich Bayern schränkte die Bürgerrechte erheblich ein. Die Zeitungen wurden zensiert, Vereins- und Versammlungsfreiheit wurde eingeschränkt und liberale Bürger gemaßregelt. Der Publizist Philipp Jakob Siebenpfeiffer und Johann Georg August Wirth gründeten den „Deutschen Preß- und Vaterlandsverein“ und veranstalteten am 27. Mai 1832 das Fest auf dem Hambacher Schloss. Die deutsche Zukunft planten die Veranstalter zu beraten und zu diskutieren. Die Herrschenden verboten die politische Demonstration und so wurde daraus kurzerhand ein Volksfest. Über 20.000 Protestierende aus der Pfalz, Frankreich und Polen reisten an. Eindrucksvoll beschreibt das Museum im Schloss die Vorgänge der damaligen Zeit. Als Folge dieses „Aufstands“ rückten bayerische Truppen in der Pfalz ein. Die Beteiligten flohen oder wurden vor Gericht gestellt. So geschah es auch mit Siebenpfeiffer und Wirth. Die Richter sprachen sie, zur Überraschung der Unterdrücker, zum Anklagepunkt „versuchter Aufreizung zum Umsturz der Staatsregierung“ frei. Sie wurden aber zu zwei Jahren Haft wegen „Beleidigung in- und ausländischer Behörden und Beamten“ verurteilt. Der Freiheits- und Demokratisierungsprozess nahm weiterhin Fahrt auf und war nicht mehr zu bremsen. Am 20. Dezember 1848 pflanzten die Mitglieder der Nationalversammlung in der Frankfurter Friedenskirche mit den „Grundrechten des Volkes“ das erste zarte Pflänzchen der Demokratie. Der Kampf um demokratische Rechte hat sich gelohnt, aber er ist nie zu Ende.

Annweiler
Annweiler

Burgen im Pfälzerwald
Burg Trifels

Die Region erzählt Geschichten über Könige, Ritter, Macht und Ausbeutung. Auf der Burg Trifels bei Annweiler begegnen wir dem englischen König Richard von Löwenherz, der von Heinrich VI auf der Festung gefangen gehalten wurde und sich gegen die Zahlung eines Lösegeldes freikaufte. Damit verschaffte er Heinrich die Mittel zur Eroberung des Königreiches Sizilien. Der Blick von der 480 Meter hohen Burg über die Landschaft ist fantastisch. Die Ruinen der Schwesterburgen Anebos und Scharfenberg lassen uns Geschichte spüren.

Rostige Ritter

Endlich! Unterhalb der Burg kehrten wir ein. „Barbarossa“ bot Pfälzer Spezialitäten und wir saßen coronageschützt auf der Terrasse. Die schwarze Tafel mit weißen Lettern am Eingang des Lokals wies auf die Köstlichkeiten hin: Rostige Ritter mit Vanillesoße, Vorspeise Kartoffelsuppe und Dampfnudeln mit Weinsoße, Vorspeise Kartoffelsuppe. Mir fiel die Entscheidung leicht. Weinsoße mundet immer. So bestellte ich die Portion Dampfnudeln, eine Art Hefeknödel. Nach dem ersten „Kloß“, lecker und gehaltvoll, war ich restlos genudelt. Den Rest überließen wir den Wespen, die über uns herfielen, als wenn sie wochenlang keine Weinsoße mit Dampfnudeln geschleckt hätten. Selbst vor den Lippen meiner Frau schreckten sie nicht zurück. „Beweg‘ dich nicht“, flüsterte ich ihr leise zu, damit die Insekten nicht nervös wurden. Sie saß bewegungslos auf ihrem Stuhl, Gabel und Messer in der Hand und die Suppe wurde kalt. Bald schwirrten die kleinen Plagegeister satt gefressen ab. Die andere Delikatesse waren halbe Brötchen: „Rostige Ritter“. Wenn ich es richtig verstanden habe, sind das in Milch eingeweichte und wieder ausgedrückte Brötchenhälften, die mit Semmelbröseln paniert und mit Zimtzucker bestreut werden. So etwas Ähnliches kenne ich unter dem Namen arme Ritter.

Burg Trifels
Burg Trifels
Burgruinen im Pfälzerwald
Burgruinen Anebos und Scharfenberg

Kuchenzauber - Hütten im Pfälzerwald

Weitere Hütten, frequentiert von Wespen, die uns überall freudig begrüßten, lagen auf unseren Wegen. Die Auswahl war großartig. Salzig oder süß, Wein oder Bier, Wasser oder, oder, oder... Eine der Kulinarikhütten, fast alle werden von den Mitgliedern der Wandervereine betrieben, überraschte bei der Kuchenauswahl: Kranzkuchen, Käsekuchen, Zwetschgenkuchen, Heidelbeerkuchen, Apfel-Streusel, Mohnkuchen, bestellte ich, Käse-Johannisbeer-Kuchen und Brezeln. Wahnsinn! Die Pfälzer sind Genießer.

Hitzegeplagt wanderten wir durch die Landschaft, bewunderten die Blicke auf Felsen, Burgen und Wald, Wald, Wald, das größte zusammenhängende Waldgebiet Deutschlands. 

Ein Abstecher führte in die Stauferstadt Annweiler am Trifels. Uns erwartete ein schnuckliges Fachwerkdorf im Coronaschlaf. Die Queich schlängelte an den schmucken Häusern vorbei, welche Aufmerksamkeit erheischten. Sie waren herausstaffiert  mit grünen, rosa blühenden Pflanzentöpfen und blitzeblanken weißen, rotbraunen oder pastelfarbenen Anstrichen. Fenster, Türen und Fachwerk waren eingefasst von rosa und braunen Farbtönen. Ein Wohlfühlort und wir freuten uns, dass wir für eine der nächsten Wanderungen den idealen Ausgangspunkt entdeckt hatten.

Annweiler
Annweiler

Tipp 1: Die Wanderhütten erobern. Beliebte Wanderhütten.

Tipp 2:  Hambacher Schloss - https://hambacher-schloss.de

Tipp 3: 100 Prozent Pfalz – Einkehren bei den Winzern

 

Kommentare: 2
  • #2

    Werner Gollbach (Sonntag, 14 Februar 2021 16:37)

    Lieber Henri, vielen Dank für den interessanten Reisebericht. Deine Ausführungen haben bei mir wieder Erinnerungen an ein Pfalzwochende vor einigen Jahren wachwerden lassen. Es ist eine schöne und geschichtsträchtige Gegend die immer wieder eine Reise wert ist.
    Vielen Dank
    Werner

  • #1

    Reinhold Klein (Mittwoch, 10 Februar 2021 11:39)

    Eine lebhaft geschilderte Wanderung. Für mich Anlass, endlich auch einmal das größte Waldgebiet Deutschlands zu durchqueren. Der Pfälzer Wald wird oft in Beschreibungen deutscher Erholungsgebiete vernachlässigt - im Gegensatz beispielsweise zum Bayerischen Wald oder anderen Erholungsgebieten in Bayern. Vielleicht ist das die späte Rache der Bayern über den Verlust der Pfalz?