Es zieht - "TYPISCH DEUTSCH"

Bild: Herzfrog, Andrea Stöger
Bild: Herzfrog, Andrea Stöger

Autor: Henri du Vinage

Buchprojekt "Typisch Deutsch"

Testleser Rückmeldung

2022

 

Stoßlüften oder Querlüften

Die Deutschen haben eine Höllenangst vor Luft. Ein zarter Lufthauch aus dem geöffneten Fenster im Sprechzimmer des Arztes, das Klappfenster in der Bahn, welches einen Spalt breit aufgeriegelt ist, die laufende Klimaanlage im Auto bei 30 Grad Außentemperatur oder gar zwei gekippte Fensterflügel im Wohnzimmer, führen zu Panikattacken. „Fenster zu“, wird dann gerufen. „Es zieht“, und alle flüchten in eine Luftzug geschützte Ecke. Es drohen Erkältungen, Halsschmerzen, steife Schultern oder Husten und Schnupfen. Vielleicht sogar der Tod. Selbst bei 35 Grad im Schatten verstehen die Einheimischen keinen Spaß.

Jedes Kind lernt in Deutschland, dass regelmäßiges Lüften der Räumlichkeiten für die Gesundheit unabdingbar ist und nicht erst zu Zeiten von Corona. Die englische Tageszeitung „The Guardian“ widmet diesem Phänomen sogar einen Artikel. In dem Bericht wird die deutsche Fenstertechnologie hochgelobt, welche Stoß- und Querlüftung ermöglicht. Unter Stoßlüftung verstehen die Experten fünf- bis zehnminütiges Aufreißen der Fenster bei geschlossenen Türen. Meistens morgens. Die Querlüftung ist schon etwas für Lüftungsspezialisten. Da werden alle Fenster gekippt, die Türen sind geöffnet und so kann stinkige oder virenverseuchte Luft von einem Luftzug in die Freiheit transportiert werden. Mir war das nicht bekannt, denn ich bin eingefleischter Antilüfter. Ich lebe nach dem Motto: „Es ist noch niemand erstunken, aber schon erfroren.“  


 

 

 

Im Plauderton berichtet der Autor über Fakten, Vorurteile und Klischees der Deutschen. Inspiriert von wahren Begebenheiten erzählt er magisch realistische, fantastisch autobiografische und vom Leben geschriebene Geschichten. Augenzwinkern, Boshaftigkeiten, liebevolle und lustige Beobachtungen bereichern und begleiten die Leserinnen und Leser in den Erzählungen.

 

Ebook, Taschenbuch, gebundenes Buch

ab 4,95 €

Kommentare: 3
  • #3

    Peter Engeldinger (Sonntag, 01 Mai 2022 16:06)

    Lieber Henri,
    ich kann mich den Worten von Peter Schnitz anschließen, die deutsche Furcht vor Zugluft hat was eigenes.
    Liebe Grüße Peter

  • #2

    Rainer (Samstag, 30 April 2022 10:35)

    ... als echtes berliner "Gewächs", es ist zwar schon einige Jahre her, aber es prägte sich halt ein, kenne ich die "Zugluftdebatten" aus den öffentlichen Verkehrsmitteln der BVG sehr gut :
    Die armen Zugluftgeschädigten oder Zugluftgefährdeten weichen dem gefährlichen Luftstrom n i c h t aus. Sie suchen sich keine "windstille " neue oder neutrale Ecke. Nein, sie pöbeln und lamentieren herum. Der "Täter" der das Fenster geöffnet hat, ist ja schließlich dafür zuständig, es wieder zu schließen um den zugfreien Zustand wieder herzustellen. Blicke schweifen umher, in der Hoffnung einen oder besser noch mehrere Gleichgesinnte zu finden. Einer wird sich dann schon erheben und das unrechtmäßig geöffnete Fenster wieder schließen. Wer an diesem "Blickterror" nicht teilnehmen möchte, senkt seinen Blick einfach dauerhaft auf den Boden oder an die Decke ( in Berliner U-Bahnen findet man dort auch Werbung : und der Orje sacht zum Kulle, haste nich ne Paechbrot Stulle ). Wer das mit dem gesenkten Blick nicht beherrscht, kann es im besetzten Aufzug gut üben. Auch hier schaut man sich auf gar keinen Fall gegenseitig an. Entweder man guckt nach oben, oder eben nach unten auf den Boden. Niemals ins Gesicht des Mitfahrers / der Mitfahrerin. Das ist ungeschriebenes Gesetz !!! Warum schließt nicht einfach jemand das Fenster ? Keiner ist sich sicher, ob er zur Mehrheit oder zur Minderheit gehört, also pro Zugluft oder kontra Zugluft. Man möchte ja nicht zur Minderheit gehören und durch das schließen des Fensters plötzlich einem Shitstorm ausgesetzt sein.
    Plötzlich die Ansage : nächster Halt Wutzkyallee. Ach, da muß ich ja aussteigen. Was ist denn nun mit dem offenen Fenster und der Zugluft ??? Übrigens, die ein,-und ausfahrenden Züge erzeugen auch einen Luftstrom. Einen nicht ganz unerheblichen sogar, aber niemand beschwert sich oder bittet den Zugfahrer darum, doch möglichst langsam in den Bahnhof zu schleichen, damit es nicht zieht oder weht. Da stellt sich die Frage, ob das geöffnete Fenster im Zug oder im Bus wirklich stört oder ob es nur ärgerlich ist, das man nicht selber auf die Idee gekommen ist, es zu öffnen ?
    Denkt mal drüber nach. Wer es nicht glaubt ... ab nach Berlin, rein in die U-Bahn und selber erleben, was soeben von mir hier beschrieben. Viel Spaß. Berlin ist immer eine Reise wert !

  • #1

    Peter Schniz (Samstag, 30 April 2022 09:10)

    Lieber Henri,
    Du schreibst wieder sehr anschaulich, unterhaltsam, witzig und mit viel Situationskomik.
    Wenn in der (starken) Übertreibung die Wahrheit liegt, hast du etwas "typisch Deutsches" getroffen.
    Liebe Grüße Peter