Emma und der schwarze Karpfen

 

 

Es war Sommer und die Sonne schien wie verrückt. Am See tummelten sich viele Kinder. Groß und klein planschte. Die Schwimmer schwammen schon im tiefen Wasser und bei den Nichtschwimmern strahlten die knallroten Luftpolster von ihren Oberarmen. Die kleine Emma konnte noch nicht schwimmen.

Eine Kindergeschichte

März 2021

Autor: Henri du Vinage

Wie ein junges Hündchen paddelte sie mit ihren Händen und Armen im Wasser. Platsche. Platsche. „Schaut her. Ich kann schwimmen“, rief sie ihren Eltern zu. Papa las die Zeitung und murrte: „Ja, prima“, und Mama schrie: „Nicht zu weit raus, Emma. Da hinten ist das Wasser tief!“ Die Kleine verstand kein Wort und plantschte munter weiter. 

Das Planschen fiel ihr immer schwerer und schwerer und schließlich bemerkte sie, dass sie schon mitten im See war. Sie bekam einen Schreck: „Hiiiiilfe, Hiiiiilfe!“ Doch kein Mensch hörte sie. Sie weinte und weinte, da machte es peng. Der linke Armreif platzte. Pffffffff. Die Luft flutschte hinaus und Emmas Köpfchen ging immer öfter unter Wasser. Die Tränen tropften herunter und vermischten sich mit dem Nass des Sees. Auf einmal tauchte an ihrer Seite etwas Dunkles auf. Das Mädchen erschrak, zitterte erbärmlich und verschluckte sich. Ein schwarzer Körper erhob sich weit über der Wasseroberfläche und öffnete das zahnlose Maul: „Ich heiße Ben. Kleine, kann ich dir helfen?“ Emma strampelte, ihr Kopf tauchte ins Wasser, kam wieder nach oben, sie hustete, schnappte nach Luft und ging wieder unter. Da tauchte Ben unter den Bauch von Emma, hob sie über das Wasser und Emma atmete. Sie atmete in tiefen Zügen. Der schwarze Karpfen schwamm langsam und behutsam mit dem Mädchen ans Ufer. Mama und Papa standen schon an der Seepromenade: „Emma, Vorsicht, Vorsicht!“ 

Ben, der schwarze Karpfen, setzte die Kleine im seichten Wasser ab und schwamm zurück in den tiefen See. Mama, Papa und Emma umarmten sich und Emma erzählte: „Ben hat mir das Leben gerettet. Er ist der schönste Karpfen, den ich jemals gesehen habe, und er ist so schwarz, wie die Nacht.“ „Ja“, sagte Papa, „und ab morgen nimmst du Schwimmunterricht.“

Einige Tage später meldete sich Emma beim Schwimmunterricht im Wassersportverein an, machte ihr Seepferdchen und nahm sich vor, während des langen Winters im Schwimmbad das Freischwimmerabzeichen zu erringen. In der Zwischenzeit traf sie ihren Retter Ben jeden Tag an einer seichten Stelle des Sees, streichelt seine schuppige Haut und träumte davon mit ihm durch den See zu schwimmen. „Ben, du bist mein allerbester Freund, bis morgen“, verabschiedete sie sich immer und Ben gluckste zurück: „Bis morgen, meine Süße. Um 14:00 Uhr“, und verschwand im tiefen Wasser.

Kommentare: 8
  • #8

    Reinhold (Dienstag, 06 April 2021 18:41)

    Hallo Henri,
    leider bin ich erst heute dazu gekommen, deine spannende Geschichte zu lesen. Ich habe leider keine Enkelchen denen ich sie vorlesen kann. Aber ich werde immer, wenn ich im Großkrotzenburgersee schwimmen gehe, nach dem schwarzen Karpfen Ausschau halten. Außerdem trage ich mich mit dem Gedanken, bei den Anglern vorzusprechen um zu gewährleisten, dass der schwarze Karpfen verschont wird. Aber halt, der Freund Ben ist viel zu clever, um sich fangen zu lassen. LG Reinhold

  • #7

    Nachbar Manfred (Freitag, 02 April 2021 17:59)

    Hallo Henri, zum ersten Mal bräuchte ich jetzt meine Frau.Sie wüßte, wann und wo unsere Kinder schwimmen gelernt haben. Ich vermute, hier im See. Christiane hat die "Langstrecken-Prüfung im Wörthersee abgelegt ( eine halbe Stunde hinter einem Boot herschwimmen). Das weiß ich mit Sicherheit,denn als Vater war ich sehr stolz. Ich könnte mir vorstellen, dass Deine Geschichte bei Kindern Gefallen findet. Ich wünsche ein frohes Osterfest. LG Manfred

  • #6

    Erhard Bauswein (Freitag, 02 April 2021 16:59)

    eine wirklich gelungene Geschichte, sehr echt! Nur, als ich im Großkrotzenburger See schwimmen lernte, war das irgendwie anders,. Da gab es keine Flügelchen und kein Karpfen; deswegen hat das Schwimmenlernen auch lange gedauert. Immerhin gab es keinen zeitungslesenden Vater, der achtlos daherbrummt "ja prima". - Was Du Alles an anderen Vätern beobachtest?!

  • #5

    Peter Engeldinger (Freitag, 02 April 2021 14:50)

    Hallo Henri, klein Emma hat einen Guten Freund und das ist wichtig für unser Zusammenleben. Gute Freunde haben kein Verfallsdatum darum sind Freunde unverzichtbar.
    Viele Grüße aus der Märchenstadt Hanau.
    Peter

  • #4

    Gabi (Donnerstag, 01 April 2021 20:22)

    Mmmmmh, niedliche Geschichte. Kind sollte sich nicht auf den schwarzen Karpfen verlassen und besser schwimmen lernen. Etwas zum Nachdenken und lernen.

  • #3

    Werner (Donnerstag, 01 April 2021 18:30)

    Hallo Henri, eine sehr schöne Geschichte. Zum Glück sind unsere Enkelkinder alle gute Schwimmer und Juli ist sogar schon Rettungsschwimmerin und sie benötigen daher wohl nicht mehr die Dienste des schwarzen Karpfens. Da sie aber gern an unseren Badesee gehen, werden sie vielleicht nach dem schwarzen Karpfen ausschau halten.
    LG Werner

  • #2

    gabriele schmidt (Donnerstag, 01 April 2021 17:41)

    Hallo Henri, eine sehr nette, fröhliche Kindergeschichte.
    Ein schönes Osterfest wünscht Euch
    Gaby aus Kahl

  • #1

    Rainer (Donnerstag, 01 April 2021 16:40)

    Kurz und knapp. Ein wenig Spannung und ganz wichtig, ein Happy End.
    Mir hat´s gefallen. Leider haben wir weder Kinder noch Enkel, um die kleine
    Geschichte weiter zu erzählen.

    Etwas länger und schon ziemlich alt, ist die Geschichte vom "kleinen Häwelmann". Diese Geschichte empfehle ich sehr. Ich hörte sie schon als Kind ... heute wohnen wir im Häwelmannweg ! Passt doch, oder ?

    Viele Grüße
    Rainer