Autor: Henri du Vinage
England
Als typisch englisch bezeichnen selbst die Engländer die Region Cotswolds. Sattgrüne Wiesen, dichte Wälder, Schafe, die schon aus der Ferne dem Wanderer entgegen blöken und Hügel, die einen ungetrübten Blick über das Land und in das nächste Dorf erlauben. Die kleinen Ortschaften, eine historische Filmkulisse par excellence, strahlen Gemütlichkeit aus, laden zu Kaffee und Kuchen ein.
Einst sprudelten die Heilquellen in Cheltenham und verhalfen der Stadt zum Titel eines Badeortes. Obwohl die Quellen inzwischen versiegt sind, hält sich das Image bis zum heutigen Tag. Der Pittville Pump Room, das ehemalige Kurhaus, öffnet für Touristen und Neugierige die Pforten und gilt als eines der schönsten Gebäude der sogenannten „Regent Architecture“, nach der Regentschaft von George IV. vom Beginn des 19.Jh. benannt. In den Innenräumen bröckelt der Putz, die Stühle von der letzten Veranstaltung stehen kreuz und quer herum, nur die prunkvollen Kristallleuchter erzählen von einer besseren Zeit. Die Enttäuschung lesen wir in den Gesichtern der Besucher ab. Die Mitarbeiter erklären uns: „Die Stiftung kümmert sich um den Erhalt und die Restaurierung des Gebäudes. Es ist so schön.“ In die dafür vorgesehene Büchse spenden wir, denn es wäre wirklich schade, würde dieses Haus verfallen.
Wir verlassen das Kurhaus und vor uns erstreckt sich der belebte Pittville Park. Regenbogenfarben, ein Meer von Schockfarben, lila, giftgrün, blutrot und zitronengelb erweitern unsere Pupillen wie von Drogen stimuliert. Stände mit Getränken, Handwerkskunst und Snacks buhlen um die farbenfrohe Gesellschaft. Bunte Familien sitzen auf dem Gras, lachen, spielen Karten, Fußball oder Federball. Livemusik kommt von einer Bühne. Die Regenbogenfahnen mit den Buchstaben LGBTQ wedeln im sanften Wind und Rose, die früher einmal Roger hieß, klärt uns Ahnungslose auf. Wir wissen, dass LGBT für lesbisch, gay, bi und trans steht aber Q. Was bedeutet Q? Rose erklärt: „Q heißt queer und bezeichnet die sexuellen Ausrichtungen, welche mit den ersten vier Buchstaben nicht erfasst sind.“ Wir rätseln. Was gibt es denn noch für Ausprägungen? „Asexuell, pansexuell und vieles mehr“, deutet Rose an. Eine Polizistin verwickeln wir an ihrem Stand in ein Gespräch: „Unser Job ist es Übergriffe zu verhindern und die Menschen zu beschützen, die Zielscheibe von Hass und Gewalt sind.“ Wir trinken ein frisch gezapftes Bier und wandern nachdenklich durch die größte Parklandschaft der Stadt.
Cheltenhams Innenstadt mit zahlreichen Parkanlagen, Herrschaftshäusern, Villen und Edelboutiquen, Pubs und Restaurants erzählt Geschichten des Wohlstands und von einer Zeit, zu welcher die reichen Bürger und Adeligen Krankheiten heilen ließen oder sich des englischen „Dolce Vitas“ hingaben. Übriggeblieben ist der Cheltenham Gold Cup. Das bedeutendste Hindernisrennen der Welt. Die besten und edelsten Hindernispferde fighten um den Preispool, der sich auf 730.000 € beläuft. Ein Ereignis zu dem fast 70.000 Besucher jährlich erwartet werden. Am „Cheltenham Ladies Day“ putzen sich die Damen mit auffälligem, extravagantem und teurem Kopfschmuck heraus. Very british. Ich verstehe weder etwas von Pferderennen noch von Hüten oder sonstigen Kopfbekleidungen, obwohl meine Oma Putzmacherin war.
Wir begegnen einer Gruppe von Brexitgegnern, die mit einem großen Plakat „Cheltenham for Europe“ ihre Landsleute vor einer Katastrophe, wie sie meinen, bewahren wollen. Uns brauchen sie nicht zu überzeugen. Das Gespräch ist nett und wir kaufen zur Unterstützung einen Button „Better Together“. Hat leider nichts genutzt. Brexit vollzogen.
Als typisch englisch bezeichnen selbst die Engländer die Region Cotswolds, welche sich in den Grafschaften Gloustershire, Oxfordshire, Somerset, Warwickshire, Wiltshire und Worcestershire ausdehnt. Sattgrüne Wiesen, dichte Wälder, Schafe, die schon aus der Ferne dem Wanderer entgegen blöken und Hügel, die einen ungetrübten Blick über das Land und in das nächste Dorf erlauben. Die kleinen Ortschaften, eine historische Filmkulisse par excellence, strahlen Gemütlichkeit aus, laden zu Kaffee und Kuchen ein. Das Schlendern durch die Straßen und Gassen, an Kunst-, Buch- und Souvenirläden vorbei, lässt die Zeit still stehen. Das Venedig en miniature, Burton-on-the-Water, beeindruckt durch die Häuser aus gelbem Kalkstein, den Bach, der mitten durch den Ort fließt und den Sonnenschein in Millionen von Sternchen zurückspiegelt. Wir touren durch die Dörfer Moreton-in-Marsh, Stow-on-the-Wold, Broadway, endlich mal ein Name, den ich mir merken kann, und verbringen einen ganzen Tag in Shakespeares Geburtsstadt, Stratford-upon-Avon.
Schon am frühen Morgen drängen sich in Stratford französische Schulklassen durch die Fußgängerzone, vorbei an Shakespeares Geburtshaus und zu seinem späteren Wohnhaus. Das Dichterfieber packt uns ebenfalls. Wir wollen mehr über das Leben des Poeten erfahren und wollen in das 16./17. Jh. eintauchen, die Poesie und Dichtkunst spüren und uns mitreißen lassen von dem Flair im Städtchen. Wir kaufen das „Senior Full Story Ticket“ für 23,50 £ pro Person. Dieses berechtigt zum Besuch des Birthplace, New Place (Wohnhaus), Hall’s Croft (Wohnhaus von Shakespeares Tochter Susanna und ihrem Ehemann Dr. John Hall), Anne Hathaway`s Cottage (hier verbrachte seine Frau die Kindheit) und Mary Arden’s Farm (hier wuchs Shakespeares Mutter auf). Wir schwammen in der Vergangenheit und tauchten ein in die Lebensgewohnheiten des Schriftstellers und seiner Familie, die durchaus privilegiert lebte. Einige Tage später bestelle ich bei einer Buchhandlung „Shakespeare für Dummies“.
Die Rückfahrt führt uns durch die berühmte Universitätsstadt Oxford. Überall laufen Uniformierte und lungern in Gruppen herum, schwatzen lautstark und verschwinden dann in einer dieser altehrwürdigen Universitäten. Wir fahren am „Balliol College“ vorbei und unweigerlich denke ich an Boris Johnson, der hier studiert hat und wahrscheinlich schon damals, wenn man der Presse und Erzählungen glauben darf, hier sein Unwesen trieb. Fest steht, dass das College noch weitere drei Premierminister hervorgebracht hat. Ein Märchenerzähler aus dem 19. Jh. war Lewis Carroll, dessen Märchen „Alice im Wunderland“ ein Welterfolg wurde. Carroll soll von Alice, der Tochter des Dekans von Oxfords Christ Church, angeregt worden sein, die Geschichte zu schreiben. Das alte Steinhaus, wo Alice Bonbons kaufte, nennt sich heute Alice’s Shop und verkauft Souvenirs.
Tipp 1: Cotswold Way – Fernwanderweg, durch urige Dörfer, Wälder und Wiesen. Land und Landschaft mit allen Sinnen erleben: ca. 170 km von Bath nach Chipping Champden.
https://www.nationaltrail.co.uk/cotswold-way
Tipp 2: Appartement Cheltenham-Tivoli, gemütlich und sehr gut ausgestattet, zentrale Lage, alles fußgängig zu erreichen.
https://www.airbnb.de/rooms/32633480?s=67&shared_item_type=1&virality_entry_point=1&sharer_id=85652231
Tipp 3:
Kunstgalerien besuchen, in den Dörfern findest du immer einmal interessante Galerien mit ausgefallener Kunst, Bildern, Skulpturen etc. Auch das Gucken lohnt sich.
In Cheltenham: Castle Fine Art, 82a The Promenade, Cheltenham, Gloustershire, GL50 1NB.
Als wir dort waren, wurden Originalbilder von Bob Dylan verkauft.
https://www.castlefineart.com/galleries/cheltenham
In Broadway: Broadway Luxary, Old School House, 67 High Street, Broadway, Worcestershire, WR12 7DP.
Außergewöhnliche Skulpturen, Möbel, Bilder – modern und sehr kreativ.
https://www.broadwayluxury.com
Werner Gollbach (Sonntag, 23 Februar 2020 09:55)
Ein sehr interessanter und unterhaltsamer Reisebericht durch den Süden des Vereinigten Königreichs. Ich werde diese Gegend sicherlich nicht mehr persönlich kennenlernen, aber der Bericht lässt mir die Landschaft, die Städte und Dörfer vor meinem geistigen Auge lebendig werden. Vielen Dank für diese geistige Reise in eine unbekannte Region.
Liebe Grüße Werner