Calmont - der steilste Weinberg Europas

Calmont
©Mosellandtouristik/Hubert Waldmann

Autor: Henri du Vinage

November 2019

Deutschland

 

 

Hangneigung von 65 Grad: Schwerstarbeit für Winzer und für Wanderer eine schweißtreibende Herausforderung.

 

 

Die Römer in Nehren
Römergrab in Nehren

Die Cochemer Reichsburg lassen wir hinter uns. Das Ziel ist die Weinstadt Bernkastel-Kues. Ungeplant fahren wir durch die Mosellandschaft, deren Gesicht lieblich daherkommt, wie mancher Tropfen des Moselweins und dann wieder trocken und herb, wie die knochige Rebe im Winter.

 

Ein Schild an der Straße weckt unsere Neugierde: „Willkommen auf dem Kulturweg Römergräber Nehren“. Wir biegen von der Straße ab und finden bald einen verlassenen Parkplatz. Nach kurzem Fußweg erreichen wir das Grab aus dem 4. Jh. und blicken auf den Fluss und den Rebberg. Durch eine gesicherte Fensterluke erhaschen die Besucher Ansicht auf die am besten erhaltenen Wandmalereien nördlich der Alpen. Voller Spannung öffne ich die metallene Klappe an der Tür, blinzle in die Grabkammer hinein und – ein schwarzes Loch. Es ist leider nichts zu sehen und wir begnügen uns mit der Bebilderung auf den Hinweistafeln.

Ediger am Calmont
Ediger - Tourist Information

In der Ortschaft Ediger, habe ich vorher nie gehört, überrascht uns die Stadt mit Häusern aus dem 16. Jh. Die Tourist-Information hat sich in einem an strategisch prädestinierter Flusslage befindlichem Haus aus dem Jahr 1623, niedergelassen. Wir sammeln Infomaterial und fragen nach einem Biowinzer der Region. „Ja, es gibt einen, aber nicht hier im Ort“, antwortet uns die Dame an der Rezeption. „Moment“ und sie verschwindet in nächsten Stockwerk. Einige Minuten später überreicht sie uns einen handschriftlich geschriebenen Zettel mit der Adresse. Wir schlendern durch die schmalen Gassen und sichten auf Mauern, in Gärten und auf Hauswänden geschmiedete Handwerkskunst. Meiner Frau sticht sofort das Kunstwerk mit dem Namen „Sambatänzerin mit zwei Fußballspielern – WM 2014 – 7:1“ ins Auge und ins Herz. Sie ist Brasilianerin und hat das Debakel noch nicht vergessen. Seit diesem Spiel ist der 7.1. in Brasilien ein Trauertag. Wir entdecken mehr Schmiedekunst: „Zwei Menschen kommen sich näher“, „EM 16“und „WM Russia 2018“. 

 

Zufällig streifen wir die Werkstatt von Rudolf Franzen und treffen den Künstler, Handwerker und Fußballfan bei seiner harten Arbeit an. Er verweist auf seine Ausstellung im Touristenbüro und wir beäugeln dort sein Handwerk zwischen Kunst und Nutzgegenständen. Gartenzäune, kunstvoll geschmiedete Tore für die Kapellen oder Privatresidenzen und Skulpturen überraschen uns in Vielfalt, Design und Kreativität. Erstaunt über dieses Kleinod an der Mosel ziehen wir weiter auf der Suche nach dem Bio-Winzer aus Bremm. 

Ediger Schmiedekunst
Sambatänzerin mit zwei Fußballern von Rudolf Franzen
Bremm
Am Fuß des Calmont - subtropisches Flair

Rechtsseitig bäumt sich der Calmont auf. Unsere bayerischen Freunde werden das mit einem milden Lächeln vermerken. Der steilste Weinberg Europas. Mit einer Hangneigung von ca. 65 Grad bedeutet das für die Winzer Schwerstarbeit an den Rebstöcken. „Die müssen brennen vor Leidenschaft zu ihrem Wein“, denke ich mir und wenig später sitzen wir im Hof des Bioweinguts Laurentiushof von Familie Thomas Franzen-Martiny. Um das Haus herum wachsen Feigenbäume und tropische Palmen. Im subtropischen Moselklima gedeihen sie prächtig. Thomas erzählt: „Im superheißen 2019er-Sommer stieg das Thermometer auf über 40 Grad. Da konnten wir nichts mehr im Berg tun. Die Sonneneinstrahlung und das Schiefergestein ließ die Temperatur auf 60 Grad und höher ansteigen. Das hältst du nicht aus.“ Er berichtet weiter: „Leider produzieren nur 1% der Winzer an der Mosel Biowein. Einige sind wieder ausgestiegen. Zu aufwendig und zu niedrige Erträge. Dabei ging es früher doch auch, oder?“ Er lebt für den Bioanbau und ich habe den Eindruck, dass es für ihn Lebensaufgabe und Philosophie ist mit der Natur im Einklang zu leben. Wir probieren den Wein vom steilsten Weinberg und kaufen einige Fläschchen für den Genuss Zuhause.

Zeller Schwarze Katz

Mittagspause in Zell. Wir schlendern durch die Altstadt, vorbei an dem Denkmal der „Zeller Schwarze Katz“, welche oben auf dem Weinfuder sitzt und es verteidigt, wie die Legende erzählt: Aachener Kaufleute wollen einen Fuder Wein kaufen und verkosten die Tropfen eines Winzers. Die Kaufleute haben die Qual der Wahl, denn alle Weine schmecken. Da schleicht sich die schwarze Hauskatze herein und springt auf ein Fuder und jeder, der diesem Fass zu nahe kommt, den faucht sie an und schlägt mit ihren Pfoten nach ihm. „Hier muss etwas Besonderes drinnen sein“, sind die Händler sich schnell einig und kaufen das Fass. Wochen später sind sie wieder in Zell. Überwältigt vom Verkaufserfolg des Rebensaftes in ihrer Heimatstadt erwerben sie weitere Fuder. Die Zeller Weinbauern und der Bürgermeister beschließen diese Weinlage fortan „Zeller Schwarze Katz“ zu nennen. Heute wird der Wein weltweit verkauft. Ist die Story oder der Wein so gut? Leider durfte ich das nicht überprüfen, da mein Auto nur nüchterne Fahrer ans Steuer lässt.

 

Die teuerste Weinlage Deutschlands: Bernkastel Doctor
Lage Bernkastel Doctor

Der Wein verfolgt uns auch in Bernkastel-Kues. Die Bimmelbahn kutschiert uns durch das alte fachwerkgeschwängerte Bernkastel und die Neustadt Kues. Das ue wird nicht ü gesprochen, sondern einfach nur ein langes u. Der Name Kues rührt vom Kirchenmann, Philosophen, Mathematiker und Humanisten Nikolaus von Kues (15.Jh., später Nikolaus Cusanus) her. Vom Stadtteil Kues blicken wir über die Mosel zur Burgruine Landshut. Ein Stück unterhalb wachsen die Reben des berühmten Weins Bernkastel Doctor. Auf dieser 3,3 ha Steillage kultivieren die Winzer ausschließlich Rieslingweine. Seit 1900 gilt dieser Weinberg als teuerste Weinlage Deutschlands. Julius Wegeler, Mitinhaber der Sektkellerei Deinhard erwarb eine Parzelle zu 100 Goldmark pro Rebstock. Wie der Name verrät, verfügt der Wein über wundersame Heilkräfte. Der Trierer Kurfürst Boemund II wurde von schwerer Krankheit geheilt, König Edward VII von Großbritannien trank den Doctor als Medizin, Kaiser Wilhelm II. und Eisenhower genossen ihn und Adenauer nahm ihn auf Reisen mit und versorgte auf einer Russlandreise seine Gastgeber Bulganin, Chruschtschow und Molotow mit dem Wein. Ist er wirklich medizinisch einsetzbar oder fördert er gar den politischen Wahnsinn? Wieder Zuhause angekommen, wollte ich ein Fläschchen bestellen und wurde gleich fündig: „Riesling Bernkasteler Doctor Auslese“, Markus Molitor, Haus Klosterberg: 1.249,50 €. Ob man um die 50 Cent feilschen kann? Aber keine Sorge. Es geht auch günstiger. Ab 35 € aufwärts. 

 

TIPP 1: Bleiben wir gleich beim Doctor. An den Weinbewertungen und ihrer Bildersprache erfreue ich mich immer wieder. Zwei Kaufkriterien zählen bei mir: 

1. Er muss mir, meiner Frau und meinen Gästen schmecken.

2. Er muss in mein Portemonnaie passen.

https://www.gute-weine.de/produkt/riesling-bernkasteler-doctor-auslese-weisse-kapsel-versteigerungswein-jahrgang-2016-34831h/

 

TIPP 2: Bio-Weingut Laurentiushof, Gartenstraße 13, 56814 Bremm/Mosel

Tel.: 02675-508. E-Mail: info@bioweingut24.de

Einer der wenigen Biowinzer an der Mosel, Thomas Franzen- Martiny und seine Familie brennen für das Bioprodukt, gutes Preis-/Leistungsverhältnis.

Ferienhaus und -wohnung ab 80€.

https://weingut-laurentiushof.de

 

 

TIPP 3: Wandern und Wein probieren: Der Moselsteig bietet 24 Etappen von 11 km bis 24 km und führt auf 365 km durchs Mosel Weinkulturland von Koblenz nach Perl oder umgekehrt. Traumpfade und -pfädchen mit Guides zu bestimmten Themenbereichen werden von April bis Juli angeboten.

www.moselsteig.de

info@moselsteig.de

 

www.traumpfade.info

info@traumpfade.info

 

 

 

   

Kommentare: 2
  • #2

    Thomas (Sonntag, 08 Dezember 2019 10:57)

    Wie schön mal wieder einen eurer Berichte zu lesen.

  • #1

    Renate du Vinage (Samstag, 16 November 2019 17:18)

    Lieber Henri, hab Dank für den schönen anschaulichen Bericht über Eure Mosel-Tour.Einige Orte an der Mosel haben wir früher auch besucht und so manchen Wein genossen. Kennt Ihr eigentlich das lesenswerte Buch; Moselfahrt aus Liebeskummer von Rudolf Binding?
    Na dann Prost und liebe Grüße von Eurer Renate