Bath - Römern und Druiden auf der Spur

Römische Bäder in Bath, England

Autor: Henri du Vinage

Dezember 2019

England 

 

Entdeckungen in und um Bath: 43 n. Chr. bauen die Römer eine Bade- und Tempelanlage, einige tausend Jahre davor entsteht die heidnische Kultstätte von Stonehenge und Ende des 18. Jahrhunderts schreibt Jane Austin ihre Romane.

 

 

River Avon -  Pultney Bridge
River Avon - Pultney Bridge

Das Linksfahren erfordert immer doppelte Aufmerksamkeit. Vom nördlichen Flughafen Londons, Stansted, fahren wir auf dem Highway M 4 Richtung Bristol. Die 250 Kilometer geben mir Zeit, mich an das Lenkrad auf der linken Seite zu gewöhnen. Irgendwie eigenartig, aber die Dimensionen des Kleinwagens, besonders die rechte Seite, kann ich schwer einschätzen. Meine Frau: „Achtung, pass auf“, und das überholende Auto hupt.

Das Navi steuert problemlos zum Avon Guesthouse in Bath. Wo ist eine Parklücke? Dürfen wir hier stehenbleiben? Ein freundlicher Mister meint: „Ist zwar verboten, aber bleibt ruhig stehen.“ Erst einmal die Koffer in die Pension bringen und dann schauen wir weiter. Judy, die Wirtin, empfängt uns neben der Küche. Der Duft von Bergamotte und frisch gebrühtem Tee kitzelt unsere Riecher. Ihre Kids sind bei den Hausarbeiten und ich schleppe die Koffer auf das Zimmer. Alles picobello und der hauseigene Parkplatz wartet auf mein nächstes Parkmanöver. 

Geschrei, Laute, die ich nicht verstehe, es könnten englische Buhrufe sein, heftiges Klatschen, Stöhnen, Schreie und Pfiffe dringen in die Unterkunft. Wir verlassen das Haus Richtung Altstadt, stehen auf einer Brücke, unter uns fließt der Fluss Avon, von der gegenüberliegenden Seite hallt Gejohle herüber und flotten Schritts marschieren wir in Richtung der Sportarena. Jubelschreie, Jubeltaumel, Jubelfeier. Das Spiel ist zu Ende. Als die Fans aus dem Stadion stürmen, stehen wir im Weg. Die heimische Mannschaft wird gefeiert. Die Rugbybegeisterten rasen aufgeregt plappernd in die Pubs der Umgebung. Alles bleibt friedlich. 

Das Spiel ist aus!
Das Spiel ist aus!
River Avon-Bath, England

Stand-up-Paddler steuern den River Avon entlang, um schließlich am rauschenden Wehr umzukehren. Überall stolpern wir über die Sportbegeisterung der Engländer. Wind, Regen oder Kälte stoppen keine Britten. Sie quälen sich zum Ziel, kämpfen um jeden Punkt, um jedes Tor und um jeden Ball. Wir kämpfen uns in die Altstadt vor.

Seit 43 n.Chr. nutzten die Römer die Thermalquellen, für die nach der römischen Göttin Sulis Minerva benannte Bade- und Tempelanlage. Im 5. Jh. besiegten die Angelsachsen die Eroberer und ihr Einfluss nahm ab. Ich vermute, dass fortan das Interesse an der Badekultur abnahm, denn die Tempelanlagen verschwanden in den folgenden Zeiträumen. Ende des 16. Jh. begann der erneute Aufschwung der Stadt als Heil- und Kurbad. Königin Elisabeth I. galt als Förderin und populärste Besucherin der Kurstadt und versammelte Aristokratie und Hofstaat um sich herum. Fünf große Bäder, gespeist von den Quellen der Region, entwickelten sich zum Ziel der damaligen High Society. Später förderten der Adel und das wohlhabende Bürgertum die Heilquellen. Erst im 19. Jahrhundert entdeckten Bewohner zufällig die Überreste der verschlamm(p)ten römischen Anlage. Wir gehen an dem restaurierten Bäderkomplex Sulis Minerva entlang. Ein unscheinbarer Eingang, lediglich das Innere des Pump Rooms, der Trinkhalle, blitzt durch seinen klassizistischen Charme auf. Kronleuchter, fein eingedeckte Tische und Kellner in der Livree, die Heilwasser, heilsamen Wein und Bier für die Gäste, meist Touristen, servieren. Am nächsten Tag besuchen wir die Thermalbäder, verschiedene Saunen, Aufenthaltsräume, Open Air Bad, Grünflächen, Gänge, Säulen, Kuppeln und sogar Fußbodenheizungen überraschen uns. Wir sind beeindruckt von dem dreistöckigen römischen „Wellnesscenter“. Drei Stunden wandeln wir durch die antike Anlage, stellen uns brodelnde Quellen, unterhaltsame Menschen und eine ausgelassene Badeatmosphäre vor.

Bath, England
The Royal Crescent

Architekturfreunde erfreuen sich in Bath am georgianischen Baustil, benannt nach der Regierungsepoche der Monarchen George I., II., III., IV. aus dem Hause Hannover, welche von 1714 bis 1830 herrschten. Wirklich sehenswert: „The Royal Crescent“ (der königliche Halbmond) und „The Circus“, ein Platz mit typischen georgianischen Stadthäusern.

Für Literaturliebhaber und Jane-Austen-Fans bereitet, der vor dem Jane-Austen- Museum sich verbeugende Butler, große Freude mit seiner Aufmerksamkeit. Der Mann spielt seit 35 Jahren diese Rolle genauso perfekt, wie alle anderen Helfer, die sich der Mode des 18. Jh. gewidmet haben. Mit Ihren Romanen schrieb sie Erfolgsgeschichten über die Unterdrückung der Frauen, deren einzige Möglichkeit es war, durch Heirat ein gesichertes Leben zu erhalten. Sie heiratete nie. Viele ihrer Romane wurden verfilmt: Emma, Sinn und Sinnlichkeit, Stolz und Vorurteil und Love & Friendship.

Die Sonne scheint und wir kommen uns vor wie in Florenz auf der Ponte Vecchio. 1774 wurde die Pultney Bridge über den River Avon gebaut. Shops und Cafés strahlen Gemütlichkeit aus, wir kehren ein, trinken Kaffee und essen Kuchen. Zu weiterem kulinarischen Ruhm brachte es die aus Frankreich geflüchtete hugenottische Einwanderin Solange Luyon, in Bath Sally Lunn genannt, mit einem wohlschmeckenden Hefekuchen, Apostelkuchen, Bun oder Brioche, eben dem einmaligen Sally Lunn Bun. Deliziös und sie munden famos in einem der ältesten Häuser von Bath, dem Sally Lunn‘s Eating House.

Zeller Schwarze Katz

An der abendlichen Schnäppchenkasse des Theatre Royal Bath erwerben wir Restkarten zum vergünstigten Preis. Richard O’Brian’s Rocky Horror Show wird aufgeführt und ich erinnere mich an die siebziger/achtziger Jahre als das Stück in Berliner Offkinos lief. Die Leute sangen mit, cineastisch inszeniert flog der Reis durch die Gegend und auf die Songstrophe „there was a light“ leuchteten die Gasfeuerzeuge auf, Wunderkerzen warfen Feuersternchen in den Kinoraum und ließen Kostüme, Masken und Schminke glitzern. 

Die Tickets des „Königlichen Theaters“ in der Hand, für 19 £ die Karte waren wir bereit. Hinter uns standen die Freaks. Im Strapskostüm des Frank N. Furter oder verkleidet als die biedere Jane mit ihrem Mann Brad. Eine verrückte, skurrile Story. Damals, wie heute.

Die Bühne erstrahlt im Scheinwerferlicht, das Publikum geht mit, Refrains dröhnen durch das Theater und Texte kommentieren die Fans. Leider können wir zur Stimmung nicht beitragen. Wir sind nicht textsicher. Die Band spielt im Hintergrund und die Künstler singen live. Toll.

https://de.wikipedia.org/wiki/The_Rocky_Horror_Show


Stonehenge

Stonehenge, England

Das Kulturprogramm geht weiter. Am nächsten Tag fahren nach Stonehenge, Weltkulturerbe der UNESCO seit 1986. Die Karten haben wir vorher im Internet gekauft und sind frühzeitig aufgebrochen, um dem ab 11:00 einsetzenden Touristenrun zu entkommen. Mit dem Audiotape ausgerüstet ziehen wir los und lassen uns die Geschichte erklären: Die ersten Anfänge dieses prähistorischen Baus liegen 5.000 Jahre zurück. Verschiedene Bauphasen veränderten immer wieder die Gestalt des Bauwerks. Trotz unterschiedlichster Interpretationen von Wissenschaftlern über Zweck und Sinn dieses Werks sind sich die meisten einig, dass es sich um einen prähistorischen Tempel handelt. Den damaligen Baumeistern gelang es, die Öffnung der Steine auf den Sonnenaufgang am Tag der Sommerwende auszurichten. Der Steinkreis besitzt eine magische Anziehung. Alleine das Wissen und die Vorstellung, dass an dieser Stelle vor tausenden von Jahren Menschen ihre Gottheiten geehrt haben, lässt uns bedächtig, vielleicht sogar andächtig, sicherlich respektvoll mit diesem Steinkreis umgehen. Der Mythos von Stonehenge zieht besonders zur Sommerwende Mitglieder diverser Sekten, selbsternannte Druiden und Praktizierende heidnischer Kulte an, die dort ihre Rituale durchführen. Auch Krimiautoren haben den Steintempel als Schaubühne für Ritualmorde auserkoren. Die menschliche Fantasie ist schier unerschöpflich.

„OKIDOKI“, sagte unsere Wirtin, wenn alles OK war. Bath ist „Super-Okidoki“.

 

Tipp 1: 

Lavendelfarm. Somerset Lavender, Horsepond Farm, Faulkland, Somerset, BA3 5WA. Ich dachte immer, dass Grasse im Mittelpunkt der Lavendelproduktion steht, aber gefehlt. Der englische Lavendel mit seiner herbfrischen Duftnote kann absolut konkurrieren.

Café mit exzellentem Lavendelkuchen und Shop mit Ölen, Seifen und Lavendelprodukten.

Öffnungszeiten prüfen. 

http://www.somersetlavender.com

 

Tipp 2: 

Theater Royal Bath, Sawclose, Bath BAI IET

https://www.theatreroyal.org.uk

 

Tipp 3: 

Olé, kleine, gemütliche Tapasbar, 1 John Street, Bath, BA 1 2JL

www.oletapas.co.uk

 

Tipp 4: 

Avon Guest House (Pulteney House), 1 Pulteney Gardens, Bath, BA2 4HG. 10 Minuten zu Fuß in die Altstadt. Parkplatz, gemütliche Zimmer, Frühstück nach Wunsch und unterhaltsame Gastgeberin. Zimmerpreis je nach Saison: ca. 100 €/Nacht 

http://www.avonguesthousebath.co.uk

 

Tipp 5: 

Täglich kostenlose Führung durch Bath. Treffpunkt um 10:00 Uhr am Pump Room.

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