Autor: Henri du Vinage
Buchprojekt "Typisch Deutsch"
2022
Das Auto
Mindestens einmal in der Woche stehen deutsche Männer an der Autowaschstraße und lassen ihre Lieblinge von oben bis unten bürsten, massieren, eincremen und selbst der Unterboden glänzt im modischen Antifaltenschutz. Angekommen auf der heimischen Garagenauffahrt wienert der Teutone nach. Scheinwerfer, Scheiben und der Innenraum erstrahlen im Sonnenlicht.
Umfragen bestätigen das, was die Damen schon lange wissen. Fast 60% der deutschen Automobilisten empfinden Freude beim Anblick ihres Autos und 80 % bekommen wollüstige Gefühle bei der Fahrt mit ihrem Liebling Auto. Da wird das weibliche Geschlecht eifersüchtig, zu Recht, denn der maskuline Typ knausert mit Geschenken für seine Partnerin. Beim PKW-Kauf schaut er allerdings nicht auf den Penny. So gibt der Kerl 40% für den Gebrauchten mehr aus als die Frau und der Neuwagen darf satte 52% mehr Kosten. Des Mannes teurer Liebling eben.
Bei der Meinungsforschung zu der Frage nach dem Traumauto Nummer 1 entscheiden sich die vernünftigen Frauen für den Mini Cooper und die Männer? Das war ja klar, zugunsten von Power und Sport, den Audi R8. Kein Wunder, dass Streitereien zwischen den Geschlechtern vorprogrammiert sind.
Mein Kumpel Klaus, wir kennen uns seit der Zeit auf dem Gymnasium, war schon mit 18 Jahren der absolute Autofreak. Pünktlich zum 18. Geburtstag hatte er seinen Führerschein in der Tasche und ein gebrauchter Opel Manta stand vor der Tür. Sobald er den Mund aufmachte, kam Auto heraus. Unsere Wege trennten sich dann, weil die Kommunikation zwischen uns zu einseitig wurde. Sein Interesse an Autos war nicht kongruent mit meiner Freude an der frankophilen Lebensart. Für mich war der Kraftwagen nur Mittel zum Zweck. Damals war ich häufig in Paris und was neben den eleganten und immer nach dem „Dernier Cri“ gekleideten Mädchen besonders auffiel, waren die Autos. Ich glaube, dass es in ganz Paris kein Auto ohne Beule gab.
Jahre später traf ich Manta-Klaus beim Einkaufen und er erzählte mir die Geschichte von ihm und Carla.
Im Plauderton berichtet der Autor über Fakten, Vorurteile und Klischees der Deutschen. Inspiriert von wahren Begebenheiten erzählt er magisch realistische, fantastisch autobiografische und vom Leben geschriebene Geschichten. Augenzwinkern, Boshaftigkeiten, liebevolle und lustige Beobachtungen bereichern und begleiten die Leserinnen und Leser in den Erzählungen.
Peter Eggert (Montag, 13 Juni 2022 19:29)
Lieber Henri!
Das hast Du wirklich schön geschrieben. Ich habe die Zeilen in einem Tempo verschlungen, das ich nur an den Tag lege, wenn mir ein Schreibstil und die geistreiche Geschichte voller überraschender Wendungen wirklich gefällt.
Ich gratuliere Dir zu Deiner charmanten Art, zu schreiben.
Und ich gebe zu, dass ich von Anfang an versucht habe, "Klaus" wiederzuerkennen. Schließlich bin ich an einem der beiden Ws hängengeblieben, nicht dem W. Z. mit dem roten Ford Escort, sondern bei dem anderen, dem noch autovernarrteren W. D., der immer so adrett gekleidet war und im trunkenen Zustand bei der Gartenparty in der Pfarrlandstraße sich übersichtlich am Obstbaum festhaltend so vornehm ins Beet gereihert hat.
Wie schön Du mir diese alten Erinnerungen wieder ins Gedächtnis gezaubert hast!
Liebe Grüße Peter
Karin (Mittwoch, 08 Juni 2022 14:50)
Ein sehr amüsanter und wirklichkeitsnaher Artikel. Zum Glück ist inzwischen das Auto auch für meinen Mann ein Mittel für einen mobilen Zweck und das Zusammensein hat sich somit sehr entspannt.
Danke auch für deinen vorausgegangen Beitrag, in dem ich mich gut wiederfinden konnte.
Peter Engeldinger (Mittwoch, 08 Juni 2022 12:09)
da sieht man wieder, Frauen haben den klareren Kopf.
Gruß Peter
Erhard Bauswein (Dienstag, 07 Juni 2022 11:10)
lieber Henri, Dein Schreibstil ist unübertroffen; damit triffst Du genau die typisch deutsche Einstellung zum Auto, wobei "typiach" natürlich nicht meint, dass es für jeden gilt. Die wohl dosierten leichten Übertreibungen (Mund auf, kommt Auto raus), machen das Lesen zum Verngügen. Dabei sorgt die präzise Verwendung von Fachausdrücken für die nötige Bodenhafdtung. Auch der Vergleich mit der französischen Einstellung zum Auto unterstreicht das "typisch Deutsche"; insofern ist der geplante Buchtitel völlig treffend. Also, weil Du Schulnoten wolltest: eine glatte 1.
Gruß Erhard
Rainer (Montag, 06 Juni 2022 14:41)
Hi Henri,
Geschichten leben manchmal davon, das gewisse Dinge überspitzt dargestellt werden.
Ich schäme mich nicht, deutsch zu sein und ich schäme mich auch nicht, eine gewisse Freude über mein / unser Auto zu empfinden. Ich freue mich ja auch über andere Dinge : unser Häuschen, die neue Markise, ein paar neue Sneakers und-oder auch über die letzte Kreuzfahrt. Wenn ich mir Dinge kaufe, die ich nicht mal eben aus der besagten "Portokasse" ( haben wir auch gar nicht ) bezahlen kann, versuche ich natürlich, die Freude darüber so lange wie möglich aufrecht zu erhalten. Dazu gehört auch eine gewisse Pflege ( keine übertriebene Pflege ). Man kann ein Produkt ja auch kaputt pflegen.
Es gibt in Deutschland Gegenden, in denen die Menschen, die dort leben ganz besonders stolz auf ihre Errungenschaften sind. Teils, weil sie nicht viele Alternativen haben, teils auch, weil es dort so üblich ist. Die Altern machten das so, die Großeltern und auch die Urgroßeltern. Wir lebten selber ein paar Jahre in solch einer Gegend. Dann gilt dort : entweder man macht mit und gehört dazu, oder man macht nicht mit und gehört eben nicht dazu. Wir machten nicht mit und gehörten nicht dazu. Das haben wir auch nie mehr aufholen können und hatte Auswirkungen im ganz normalen Alltag. Die Konsequenz war, das wir fortzogen. In eine andere Gegend. Dort gehörten wir wieder dazu, weil wir uns anpassten. Die Anpassung bezog sich nicht auf Autos oder andere Fahrzeuge, sondern auf das allgemeine Leben. Dies kann nämlich regional äußerst unterschiedlich sein.
Als Großstädter, in Berlin geboren und aufgewachsen, betrachtet man manche Dinge aus einem ganz anderen Winkel als z.B. ein Bewohner einer Kleinstadt. In Berlin, so ist mir in Erinnerung, benötigt man eigentlich gar kein Auto. Mit der BVG kommt man bestens fast überall hin. In Hamburg ist es ähnlich, aber nicht ganz so komfortabel wie in Berlin. Vor den Toren von Hamburg wird es dann noch einmal etwas unkomfortabler ( um nicht schlecht zu schreiben ). Da ist man mit einem eigen PKW doch erheblich mobiler. Dabei ist es egal, ob es sich um eine Limousine, einen VAN, einen Kombi oder einen SUV handelt. Übrigens bedeutet SUV ja wohl Sports Utility Vehicle. Wir haben auch ein Fahrzeug, welches in diese Kategorie passt, jedoch in sehr kleiner Form( kleiner als manche Mittelklasse Limo ), mit günstigem Verbrauch und in der Hauptsache, weil wir beim ein, .- und aussteigen keine Verrenkungen machen wollen ( können ). Noch niemals haben wir mit diesem Fahrzeug Sport betrieben. Wir haben das auch nicht vor. Noch nie haben wir mit diesem Fahrzeug Sportgeräte transportiert ( wir haben gar keine ). Noch nie sind wir mit unserem Fahrzeug ins sogenannte "Gelände" gefahren, - geschweige denn in einen Wald oder eine Kiesgrube. Nein, auch das haben wir nicht geplant. Unser sogenannter "SUV" ist wohl eher ein "Süvchen", kürzer als manche Limousine, mit günstigem Verbrauch und wirklich bequem zu "entern". Das war und ist uns wichtig. Eine gewisse Liebe zu diesem Fahrzeug besteht nicht. Wird es auch nicht geben. Wozu auch ? Es ist ja nur ein Auto. Es wird gepflegt, um den Wert und die Lebensdauer zu erhalten. So gut es geht, aber niemals übertrieben oder ausufernd.
Soll doch jeder so machen, wie es ihm gefällt, so lange er keinen anderen Personen damit Schaden zufügt oder sie damit belästigt.
Übrigens, ich hatte auch einmal einen OPEL MANTA ! Ohne Fuchsschwanz und ausschließlich mit der Serienausstattung !
Werner Gollbach (Montag, 06 Juni 2022 10:55)
Lieber Henri, obwohl der nachweisbare Ahnenbaum der Gollbachs bis ins sechszehnte Jahrhundert zurück reicht, scheinen doch nicht alle typisch deutsch zu sein. So fahre ich seit Jahrzehnten gebrauchte Autos, nicht gerade von Nobelmarken, und diese solange bis sie schrottreif sind. Ich glaube, hier werde ich nur noch von unserem Sohn Thomas übertroffen, der seine Fahrten zur Arbeit mit seinem fünfzehn Jahre alten Ford Fiesta zurücklegt. Auch bei der Wagenpflege bin ich nicht besonders eifrig und eine Reinigung erfolgt nur dann, wenn ich von meiner angetrauten Ehefrau mehrere Male unmissverständlich dazu aufgefordert wurde und schon eine Drohung mit Liebesentzug angedroht wurde. Also, ich bin nicht typisch deutsch.
LG Werner
Eberhard Leistner (Montag, 06 Juni 2022 08:26)
Lieber Henri, nette Geschichte, die auch Geschichte ist.Es fehlt eine Überleitung in die jetzige Zeit.
Warum sind 60% der Autokäufe SUV? Ausser in USA in Europa wenig verbreitet diese Vorliebe.Warum wollen Audi, Mercedes, BMW in der Elektrowelt nur noch Luxusautos bauen? Die Marketingstrategen werden die Deutschen Autokäufer neben dem Ausland wohl analysiert haben.
LG Ebi
Peter Schniz, Sylvia Schniz (Sonntag, 05 Juni 2022 18:35)
Lieber Henri,
du hast wieder eine gute Idee sehr originell verarbeitet. So kann das Auto Menschen auseinander und zusammen bringen. Es kann also mehr sein als das "goldene Kalb". Ob es noch lange so eine große Rolle spielen wird?
Was wird sein "Nachfolger" werden?
Es kann Veles geben, was "angebetet" wird und was die Menschen trennen und - wenn es nicht der "einzige Gott" ist -verbinden kann.
Liebe Grüße Peter