Chiang Rai - Authentisches Thailand

Pha Hee
Pha Hee

Autor: Henri du Vinage

Thailand

 

Vor der Corona-Pandemie reisten wir einige Tage durch Nordthailand. Als letzte Station vor Bangkok wählten wir Chiang Rai aus. Unsere Gedankenwelt tobte sich zwischen Opiumschmugglern, Mohnbauern, Kaffeepflanzern, Buddhisten und dem großen Strom Mekong aus. 

Pittville Pump Room, Cheltenham

Über unser Hotel in Chiang Mai buchen wir die Fahrt mit einem privaten Minivan nach Chiang Rai, der 70.000 Einwohnerstadt, umgeben von Wald und Gebirge und bereits in der Grenzregion zu Myanmar und Laos. Der Driver spricht Englisch. Wir bitten ihn die Pausen, der 4 Stunden andauernden und 250 Kilometer langen Strecke, bei Sehenswürdigkeiten und Landestypischem einzulegen. So holpern wir durch zahlreiche Baustellen, klimagekühlt, auf weichen Ledersitzen und vom thailändischen Popsound beschallt durch die Landschaft.

Nach einigen Toilettenstopps und Kaffeepausen liegt vor uns die Raststätte und Anlage „Hotspring – Mae Kachan  Hot Spring and Geyser“. Überall qualmt und sprudelt es, die eruptive Wasserkraft der Geysire flößt Respekt ein und wir bleiben innerhalb des vorgeschriebenen Sicherheitsabstands.  Der Schwefelgestank lässt vermuten, dass die Hölle nicht fern ist und so bevorzugen wir, unsere Füße in den heißen, fließenden Kanälchen zu baden. Einige Schritte entfernt stillen Reisende ihren Hunger mit im Höllenwasser gekochten Eiern.   Die Parkanlage, Restaurants und diverse weitere Heil- und sind außer Betrieb, so dass wir uns nach der Erholungspause wieder Richtung Chiang Rai fahren.


River Avon-Bath, England

Der Autoverkehr nimmt zu, ein großflächiger Parkplatz füllt sich mit Autos und Bussen. Der Guide führt uns zu den Schaltern, um Eintrittskarten zu kaufen, und vor uns erstreckt sich der „Weiße Tempel“ Wat Rong Khun. Der Bau der Anlage nahm seinen Anfang 1997 und die Fertigstellung wird auf das Jahr 2070 geschätzt. Ist ja bald! Das Erdbeben 2014 richtete immense Beschädigungen an den Tempelgebäuden und den Wandmalereien an. Nach einiger Zeit des Zögerns und der Zusprache vieler Menschen nahm der Erschaffer und Künstler Chalermchai Kositpipa die Arbeit getreu seines Grundsatzes wieder auf: „Nur der Tod kann meinen Traum stoppen, aber nicht mein Projekt (Only death can stop my dream, but cannot stop my project)“. Die Finanzierung erfolgte durch Spenden, die laut des thailändischen Schöpfers Chalermchai  250 U$ nicht überschreiten durften, um nicht in Abhängigkeit von Großspendern zu kommen. Gedanken schwirren mir durch den Kopf: eine grandiose Anlage, eine Kunstausstellung, ein bisschen größenwahnsinnig, von Mut und Kreativität des Urhebers geprägt, Disney in Thailand, aber doch buddhistisch gestaltet, ein Denkmal, für wen...  Wir sitzen, staunen und glotzen ins Inferno.

Chiang Rai entpuppt sich als lebhafte Kleinstadt mit diversen Märkten, Open Air Tanzgruppen, Kneipen und Restaurants, aber nicht mit der Hektik Bangkoks oder Chiang Mais. Am nächsten Morgen stehen wir pünktlich um 9:30 Uhr an der Haltestelle. Die kostenlose Sightseeingtour startet am King Mengrai Monument. „Sorry, leider ausgebucht“, erklärt uns lächelnd der Mann im Kassenhäuschen. „Vielleicht kommen ja nicht alle. Können wir nicht warten?“, versuchen ich ihn umzustimmen. „Keine Chance. Es kommen immer alle“. 

Wir schlendern durch die Straßen, schauen uns das Mengrai Monument an. Langanhaltendes Hupen rüttelt uns aus der intensiven Konversation. Fünfzig Meter entfernt hält der Ausflugsbus. Alle winken und ein Mann springt heraus. Wir deuten die Gesten: „Kommt her“. Von jedem Sitzplatz erklingt überschwängliches Händeklatschen, Gekicher und amüsiertes Kopfnicken. Glücklicherweise sind doch noch vier Sitzplätze frei. Der Guide ist ein lustiger Geselle. Ständig lacht er, laut, leise, mal glucksend und erzählt zwischendurch. Hin und wieder fällt ein englisches Wort, ansonsten wird nur in Thailändisch geschwätzt. Wir notieren uns die Namen der Highlights, um später Einzelheiten zu googeln. Bevor die Gruppe am Wat Phra Kaew, dem bedeutendsten Tempel der Region, aussteigt, erklärt der Guide die Geschichte des Wats und die Entdeckung des Smaragd-Buddhas, welcher als nationales Heiligtum verehrt wird. Eine Kopie der Buddhafigur aus Jade deutet auf die Relevanz hin. Das Original bewundern Buddhisten und Reisende heute in Bangkok im Wat Phra Kaew. Am Stadtrand steht eine Villa der ehemaligen Militärführung. Das Anwesen mit sattgrünen tropischen Gewächsen besuchen wir als Nächstes. Das Gebäudeinterieur des Holzhauses stammt aus den dreißiger bis fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts. Antike Möbel, Telefonanlagen, Rundfunkgeräte, Kassen und Kassenbücher zeugen vom Verwaltungstreiben der Militärs, jedoch beeindrucken uns die Tempelanlagen und Kunstwerke, die wir in den nächsten Tagen sehen werden.

Chiang Rai Turm

Am Abend sitzen Einheimische und Touristen in den zahlreichen Bars, Kneipen und Restaurants in der Innenstadt Chiang Rais, bestaunen den goldenen Uhrenturm im Zentrum. Um 19:00 Uhr, 20:00 Uhr und 21:00 Uhr verfärbt sich der Turm blau, rot, grün, die Farben fließen ineinander, vermischen sich zu geheimnisvollen Farbtönen und das Klang- und Lautspektakel zieht alle in ihren Bann. Der Erbauer des Weißen Tempels, Chalermchai Kositpipa, tobte sich mit diesem Denkmal künstlerisch aus. Am folgenden Tag drängt es uns zu den nächsten Kunstwerken. Der Blaue Tempel, Wat Rong Suea Ten, gestaltet und erbaut von einer Künstlergruppe um  Chalermchai Kositpipa, dem Kreateur des „Weißen Tempels“. Die Farbgestaltung erinnert an das Lapislazuli des Halbedelsteins und versetzt uns in eine friedliche und kühle Stimmung.


Thawan Duchanee
Thawan Duchanee

Noch ein exzentrischer Künstler baute sich ein Denkmal: Thawan Duchanee, Jahrgang 1939, verausgabte sich bei der Erstellung des Kunstprojekts Baandam Museum. Baandam bedeutet „Schwarzes Haus“ und macht seinem Namen in jeder Beziehung alle Ehre. Innerhalb einer Parklandschaft gestaltete der Meister in den Gärten und vierzig Häusern Skurriles bis Verrücktes, häufig in dunklen Tönen, Humorvolles und Unverständliches, Tierisches und Sexistisches. Er bewirkt damit ein Lächeln oder Kopfschütteln, doch der Besucher verliert sich in Zeit und im Park. Beim anschließenden Kaffee versuchen wir Klarheit in unsere Sinne zu bekommen.


Wir steuern das nächste Ziel an, die Berglandschaft von Doi Tung. Das Doi Tung Development Project wurde 1989 von der königlichen Familie ins Leben gerufen und steht heute noch unter royaler Schirmherrschaft. Der 1.389 m hohe Berg Doi Tung, liegt im Hochland des Mae Fa Luang Districts in der Grenzregion zu Myanmar und Laos. Jahrzehnte lebten die Stämme Akha, Lahu und über dreissig weitere Bergvölker vom Mohnanbau zur Gewinnung von Opium. Das Projekt beinhaltete, den Menschen Lebensqualität und Einkommen außerhalb des Mohns zu bieten. In Schulen wurde traditionelles Handwerk, Anbau und Herstellungsmethoden von Kaffee, Gärtnerei, Landwirtschaft und Webtechniken gelehrt. Aus dieser Gegend kommt heute die weltbesten Kaffeebohnen. 

An der Kasse zum Ferienschloss werden wir auf die strengen Regeln hingewiesen und auch für Männer sind Shorts ein No Go. Mit einem „Blaumann-Kleidungsstück“ bedecke ich meine eleganten Knie und wir wandeln durch eine bezaubernde Gartenanlage. Um die im schweizerischen Stil  gestaltete Sommerresidenz der Prinzessinnenmutter Srinagarindra, die einige Jahre in der Schweiz lebte, legten die beheimateten Völker eine Parkanlage und den botanischen Garten, den Mae Fah Luang Garden, an. Hunderte von Orchideen, tropischen Pflanzen, Seen, Wasserfälle und Spielplätze für Kindern kosten die Besucher aus. Srinagarindra wird nachgesagt, dass sie sich um viele Details kümmerte und Einheimischen Nähkurse gab.  


Auf dem Weg zu den Bergvölkern, den heutigen Kaffeebauern, stoppen wir am Militärstützpunkt Doi Chang Mup Viewpoint. Ein Soldat bewacht die Anlage, grüßt lächelnd und gestattet uns die Besichtigung. Hier verläuft, mit einem kleinen Stacheldrahtzaun gesichert, die Grenze zwischen Myanmar und Thailand. Vom Aussichtspunkt entdecken wir die Hügellandschaft der Grenzregion und ich frage unsere Begleiter: „Das ist doch top zum Bergwandern?“ „Ja, ist es, aber bevor ihr die Drogenschmuggler bemerkt habt, seid ihr mit Kugeln durchlöchert.“ Danke schön. Also kein Trekking. Weiter auf der Hauptstraße 1149, die einige Meter das Terrain des Nachbarn Myanmar kreuzt, aber dann wieder thailändischen Boden erreicht. Bei Myanmar klingelt es in meinen Ohren: Vertreibung der muslimischen Minderheit, der  Rohinghas, knallharte Diktatur, Drogentransfer und wir sind froh, zurück auf thailändischem Boden zu sein. Wir freuen uns auf die edle Kaffeeprobe im PhaHee Mountain View Cafe. Der Blick vom Café in das Bergdorf Pha Hee oder Pha Hi Village bezaubert uns. Steinhäuser, Holzhütten, Kaffeebohnen, knallrote Sonnenschirme, die Tracht der Bergbevölkerung zum Anprobieren, Ruhe, wenn nicht gerade ein Touristenvan kommt und schließlich der Duft des Kaffees. Wir bestellen ihn. „Sorry, die Maschinen laufen nicht. Stromausfall.“ So bleibt es bei Kaffeebohnen im Schokoladenmantel. 


Wir stoppen am berühmten goldenen Dreieck von Thailand, Myanmar, Laos und blicken über den Mekong. Auf knapp 5.000 Kilometern durchquert der Fluss sechs Länder. Bei dem Wort Mekong läuft ein Film in meinem Kopf. Dann denke ich an den grausamen Vietnamkrieg, Vietcong, Ho Chi Minh, brutaltraurige Kriegsbilder und Studentenunruhen in Berlin mit Ho Chi Minh-Rufen. Jetzt ist alles seelenruhig. Die Motoren der kleinen Boote knattern, Blick auf die Spielkasinos in Laos und endlich der Duft von geröstetem Kaffee und ofenfrischen Kuchen. Die Kuchenvitrine ist ein Traum. „What do you want?, fragt mich die Bäckerin. Aus Spaß antworte ich voller Begeisterung und mit einem verschmitzten Lächeln: „Mit dem Käsekuchen fangen wir an, dann nehmen wir den, den und den, ach und die Torte auch noch. Nein, nein, nur Käsekuchen“. Fünf Minuten später bringt die nette Dame den Kuchen. In der Reihenfolge, wie ich ihn bestellt hatte. Nur der Käsekuchen, mein Lieblingskuchen fehlt. Anyway, jetzt wird gegessen.

Auf dem Rückweg nach Chiang Rai erwarten uns noch zwei Highlight. Das Bambuskloster Wat Hiranyawat. Kaum zu glauben, aber wahr. Buddha und Kloster haben laotische Mönche aus Bambus geflochten. Ein Gras, welches wie Unkraut wächst, vielseitig verwendbar und extrem stabil ist. Das überdimensionale Geschenk wurde mit großem Gerät über die Grenze transportiert. Die Überraschung und Freude überwältigte. Die Thailänder begeisterten sich an der Handwerkskunst, bemerkten jedoch schnell, dass der geflochtene Buddha nicht in das Kloster passte. Mönche kennen ja bekanntlich keinen Verdruss und so wurde kurzer Hand das Kloster dem Buddha angepasst.

Wir besuchen Jinnaluck Chummongkol, einer Modedesignerin, die für ihre Haute Couture aus superleichten, aber festen Papierstoffen, mit internationalen Auszeichnungen und Preisen geehrt wurde. „Miracle of Saa“ nennt sie die Kreationen aus Papier. Wohlhabende Damen lassen sich die Hochzeitskleider aus Saa „schneidern“. Saa oder Sa bedeutet Maulbeerbaum auf Thailändisch. Aus den Fasern dieses Baumes werden die Fasern für das Papier gewonnen. Workshop , Papierbilder, In der Gartenanlage pflücken wir Blüten, Gräser und Blätter, unterdessen bereitet Jinnaluck unser Miniworkshop vor. Sie weicht Rindenfasern von Maulbeerbäumen ein, um so den Untergrund für blumige Bilder herzustellen. Selbst die Prinzessin kreierte Maulbeerfaserkunst in Zusammenarbeit mit Jinna. Die Kunstwerke trocknen in der lauen Abendluft. Da die Dunkelheit ins Land zieht und wir nach Chiang Rai müssen, bleiben unserer Schöpfungen zurück.

Drei Tage später an der Hotelrezeption im fernen Bangkok: „Für sie ist ein Paket angekommen“. Absender: Jinnaluck Chummongkol.

Weichklopfen der Fasern
Weichklopfen der Fasern
Kleider aus "Papier"
Kleider aus "Papier"
Die Marke
Die Marke

Tipp 1

Jinnaluck Chummongkol, „Miracle of Saa“, 235 Moo 1 Koh Chang, Mae Sai, Chinagrai, Thailand 57130

E-Mail: Ceillkjinnaluck@gmail.com

Mobil: +66 84536 9324

Tel.: +66 53 67 5395

Facebook: Ceilk by Jinnaluck

 

Tipp 2

Phahee Coffe in Phu Phahee, Ban Phahee, Moo. 10, Pongngam, Mae Sai District, Chiang Rai 57130

E-Mail: yachai_chaiya@hotmail.com

In die von Familien der Bergvölker betriebenen Cafés Chiang Rais und Chiang Mais gehen und den Bio-Kaffee genießen. 

 

Tipp 3

Das Doi Tung Projekt kennenlernen.

Nur in Englisch

http://www.maefahluang.org/?page_id=41

 

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Thomas (Sonntag, 17 Mai 2020 04:56)

    Mal wieder eine äußerst eindrucksvolle Beschreibung, in Zeiten wie gerade diesen eine Bereicherung. Selber hinfahren kommt ja gerade nicht in Frage, muss man aber nach dem Bericht nicht unbedingt. Danke Henri

  • #2

    Werner Gollbach (Samstag, 23 Mai 2020 16:41)

    Lieber Henri, wieder ein super interessanter Bericht über ein Land, das ich sicherlich nicht mehr kennenlernen werde. Du hast uns Land und Leute näher gebracht und deine Schilderungen über den Vietnamkrieg haben auch in mir wieder die schrecklichen Bilder aus den 60er und 70er Jahren des vergangen Jahrhunderts wieder in Erinnerung gebracht. Die Parkanlage der Prinzessinnenmutter hätten sicher auch Karin sehr begeistert. Vielen Dank für den spannenden und informativen Reisebericht. Werner